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PORTRÄT SIV JENSEN NORWEGISCHE PARTEICHEFIN:: „Das ist geschmacklos“

Siv Jensen sieht sich als Opfer. Eine regelrechte Hexenjagd werde seit dem Doppelanschlag vom Freitag auf sie und ihre rechtspopulistische Fortschrittspartei (FRP) betrieben, klagt die Parteichefin.

Siv Jensen sieht sich als Opfer. Eine regelrechte Hexenjagd werde seit dem Doppelanschlag vom Freitag auf sie und ihre rechtspopulistische Fortschrittspartei (FRP) betrieben, klagt die Parteichefin. Der prominente ehemalige Fernsehmoderator Petter Nome hatte den Stein ins Rollen gebracht: In einem Leitartikel wirft er der Rechtspopulistin unter dem Titel „An diejenigen, die den Mörder erzogen“ eine Teilschuld am Geschehenen vor. „Geschmacklos“ nennt Jensen das.

Die Verwunderung war groß, als bekannt wurde, dass Anders Behring Breivik jahrelang engagiertes Jungmitglied ihrer Partei war, 2002 gar das Amt des Vorsitzenden einer Stadtteilgruppe bekleidete. Jensen distanzierte sich aber sofort energisch und zitiert Breivik, der ihre Partei Jahre vor der Tat verließ, weil sie ihm nicht straff genug war. Zugleich fühlte die 42-jährige Vorsitzende sich von Medien so missverstanden, dass sie einen unglücklichen Vergleich zog. Was passiert ist, sei „abscheuerregend“, aber „genauso abscheuerregend“ sei es, die Bluttat ihrer Partei in die Schuhe zu schieben. Für diese Geringschätzung der vielen Toten entschuldigte sie sich dann viele Male. Nun hat sie bis Mitte August Zeit für eine Schadensbegrenzung, dann soll der niedergelegte Wahlkampf wieder aufgenommen werden. Der kürzlich noch in den Umfragen glänzend dastehenden Partei droht bei den Regionalwahlen im September der Absturz. Vorsorglich verkündete Jensen, über ihre Lieblingsthemen Islam und Einwanderung nicht reden zu wollen.

Die Sozialdemokraten und auch die anderen politischen Parteien halten sich in ihrer Kritik erstaunlich zurück. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg nimmt Jensen dieser Tage eher in Schutz. Natürlich habe sie nichts mit der Tat zu tun, sagt er und verbittet sich Anschuldigungen in der Trauerzeit. „Das ist auch taktisch. Die Sozialdemokraten würden an der neu gewonnen Popularität einbüßen, wenn sie nun kleinkariert mit dem Finger herumzeigen würden. Und grundsätzlich glaubt ja auch wirklich niemand in Norwegen, dass sie direkte Schuld trägt“, kommentiert das der Politologe Magnus Marsdal.

Zudem hat die FRP in den Umfragen bereits aus anderen Gründen deutlich einbüßen müssen: Ein Chef der FRP-Nachwuchsorganisation hatte junge Männer der Partei sexuell ausgenutzt und nackt gefilmt. Schon beim Umgang dieser Krise war Jensen Versagen vorgeworfen worden.André Anwar

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