zum Hauptinhalt

PORTRÄT STÉPHANE HESSEL WELTBÜRGER:: „Der Kampf ist nie gewonnen“

Stéphane Hessel, Widerstandskämpfer und Buchenwald-Häftling, hat vor 60 Jahren maßgeblich an der Formulierung der UN-Menschrechtserklärung mitgewirkt.

Deutsch, seine Muttersprache, spricht Stéphane Hessel immer noch akzentfrei. Rilke und Hölderlin rezitiert er auch im hohen Alter aus dem Stegreif. Immer parat hat er Gedichte von Shakespeare, auf Englisch natürlich, oder von Apollinaire, die er in der Sprache des Landes verinnerlicht hat, das ihn adoptierte: Frankreich. Die Poesie habe ihm das Überleben im KZ ermöglicht, sagte er, als er vor einiger Zeit eine Anthologie mit seinen Lieblingsgedichten veröffentlichte. Und noch einen anderen Text kennt Hessel in- und auswendig: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Bei der Gedenkzeremonie auf dem Vorplatz des Palais Chaillot in Paris, in dem die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 die Erklärung annahm, wird Hessel am Mittwochabend ihre Präambel deklamieren. Als junger Diplomat hatte der hochdekorierte ehemalige Widerstandskämpfer, Buchenwald-Häftling und spätere Weltbürger dem UN- Ausschuss angehört, der während zwei Jahren an der Formulierung der 30 Artikel arbeitete. Von den 18 Mitgliedern des Ausschusses ist der 91-jährige Hessel wohl der einzige, der heute noch lebt.

Hessel, ein Sohn des Schriftstellers Franz Hessel, wurde 1917 in Berlin geboren. Mit seinen Eltern kam er Mitte der 20er Jahre nach Paris, wo er in einem Milieu aufwuchs, in dem Künstler wie Marcel Duchamp oder Picasso verkehrten. Er studierte an der Eliteschule Ecole Normale Supérieure Geisteswissenschaften, schloss sich im Krieg de Gaulle in London an und wurde 1944 bei einer Mission in Frankreich von der Gestapo gefasst und nach Buchenwald deportiert. Auf dem Marsch ins Lager Dora konnte er unter abenteuerlichen Umständen entkommen. Nach dem Eintritt in den diplomatischen Dienst des befreiten Frankreich bot sich ihm die Chance seines Lebens. Er wurde zu den UN nach New York entsandt und stürzte sich in die Arbeit für die Erklärung der Menschenrechte. „Die Erklärung ist der Erfolg meiner Generation, der Generation des Krieges“, sagt Hessel.

Die Frage der Menschenrechte hat den mit dem Ehrentitel „Ambassadeur de France“ ausgezeichneten Ex-Diplomat auf allen Stationen seiner Karriere beschäftigt und auch später nie losgelassen. Scharf kritisierte er kürzlich noch das Vorgehen der Pariser Regierung gegen illegale Einwanderer. „Der Kampf um die Menschenrechte ist nie gewonnen“, sagt Hessel. Hans-Hagen Bremer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false