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Porträt: „Unberührbar sind wir beide“

Der Film "Ziemlich beste Freunde" begeistert Deutsche und Franzosen. Er beruht auf einer realen Geschichte. Nun erscheint die Autobiographie des gelähmten Millionärs Philippe Pozzo di Borgo auf Deutsch - und zeigt, dass die Wahrheit oft härter ist als es auf der Leinwand scheint.

Von Anna Sauerbrey

In Deutschland ist er der erfolgreichste französische Film aller Zeiten. 5,6 Millionen Menschen haben sich hierzulande eine Kinokarte für „Ziemlich beste Freunde“ gekauft, der die Geschichte eines schwer gelähmten Aristokraten erzählt, der durch einen ruppigen, aber lebenslustigen Pfleger aus den Pariser Ghetto-Vororten zu neuem Lebensmut findet. Der Film knüpft damit an seinen Erfolg in Frankreich an, wo ihn bis Ende Februar 19 Millionen Franzosen gesehen haben. An diesem Freitag erscheint nun das Buch, auf dem der Film basiert, in deutscher Sprache: eine knappe, szenische Autobiografie, geschrieben von Philippe Pozzo di Borgo selbst, dem Mann im Rollstuhl (Hanser Berlin, 14,90 Euro). Das Buch zeigt: Der Film erzählt eine wahre Geschichte. Und doch ist die Wahrheit, wie so oft, härter als auf der Leinwand.

Der Originaltitel des Films ist „Intouchables – Unberührbare“. „Unberührbar“, schreibt Pozzo im Vorwort zur deutschen Ausgabe, „sind wir beide.“ Abdel, der Pfleger, als Mitglied der Unterschicht, Pozzo sogar im Wortsinn. Ohne jegliches Gefühl in den Gliedern ist es ihm unmöglich, zu berühren und Berührungen zu spüren. Er fühle sich daher, so schreibt er, der Welt der Ausgeschlossenen nahe.

Der Film schafft Erleichterung von dieser Unberührbarkeit, weil die Regisseure ebenso wie Abdel nicht vor der Behinderung Pozzos in Befangenheitsstarre verfallen, sondern das Leiden für Klamauk nutzen. In einer Szene kippt der gelähmte Mann vornüber aus dem Rollstuhl, weil Abdel ihn zwar hineinsetzt, aber nicht anschnallt. Im Buch schildert Pozzo sein Leiden weniger gebrochen, die Phasen des halluzinierenden Halbbewusstseins nach dem Unfall, die Phantomschmerzen, das Wundliegen, die Urinbeutel, das ganze Ausgeliefertsein im Intimsten. Man versteht, dass nach dem, was Pozzo mit seinem Körper durchlebt hat, das blutige Gesicht, das ihm der Fahrstil seines Pflegers einträgt, eine Lächerlichkeit ist und dass jemand, den er als „unerträglich, eitel, stolz, brutal, unzuverlässig“ beschreibt, genau der richtige für ihn ist, solange er nur „menschlich“ ist.

Es ist ein hartes, intensives Buch, doch der feine Humor, mit dem Pozzo das Leben erträgt, ist dennoch spürbar. Diese Haltung, sich Hoffnung und Mut in der Erniedrigung zu bewahren, streicht der Film heraus. Wahrscheinlich ist es die Sehnsucht nach dieser Haltung, die ihn so erfolgreich macht, wodurch die „Unberührbaren“ so berühren. Anna Sauerbrey

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