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Position: Ein Vize für alle Fälle

Ob Obama oder McCain: Neben Rick Warren sähen beide besser aus. Allerdings sind die Chancen gerng das sich der charismatische US-Fernsehprediger für einen der beiden entscheiden wird.

Obama und McCain sind gleichauf. Obama führt bei den Frauen, McCain bei den Männern. Obama führt bei den Gebildeten und den Jungen, McCain bei den Unterschichten und den Älteren. Obama hat laut Umfragen keine Erfahrung, aber neue Ideen, McCain traut eine Mehrheit das Amt zu. Vor allem aber sind 34 Prozent der Amerikaner Wechselwähler. Mit welchem Vizepräsidenten könnten die beiden Kandidaten also solche Wechselwähler auf ihre Seite ziehen?

Mit Rick Warren.

Warren ist einer der einflussreichsten evangelikalen US-Prediger – seine Saddleback-Gemeinde in Kalifornien hat 22.000 Mitglieder. Warum Obama von ihm als Vize profitieren würde, ist klar: bei den weißen Christen liegt McCain weit vor Obama (64 zu 24 Prozent). Warren würde ihm einen großen Teil dieser evangelikalen Stimmen zuführen, und die machen immerhin über 30 Prozent der US-Bevölkerung aus.

Trotzdem müsste Obama nicht um die Stimmen der Linken fürchten

Obama würde wegen Warren auch nicht seine Unterstützer auf der Linken verlieren: Warren ist einer der vielen Gläubigen in Amerika, die sich von der religiösen Rechten gelöst haben und eine antimilitaristische, antikonsumfixierte, ökologische und sozialstaatliche Position einnehmen. Zwischen 2001 und 2005 blieb die Zahl der jungen, weißen Evangelikalen, die sich als Republikaner bezeichnen, konstant bei 55 Prozent; 2007 waren es nur noch 37 Prozent. Bei den Kongresswahlen im Jahr 2006 stimmten 41 Prozent der Evangelikalen für die Demokraten. Obwohl diese Zahl sicher nicht bei einer Präsidentschaftswahl denkbar wäre, ist die für den Nominierungsparteitag zuständige Demokratin immerhin Pfarrerin einer Pfingstgemeinde.

Rick Warren ist die Koryphäe dieser neuen, evangelikalen Bewegung. 2006 reiste er nach Damaskus und warb für Verhandlungen zwischen Syrien und den USA – was als indirekte Kritik an Präsident Bush verstanden wurde. Zwischen 2004 und 2008 engagierten sich 8000 seiner Gemeindemitglieder in 68 Ländern für die Armuts-, Schulden-, HIV/Aids-Bekämpfung und für Bildung. Dieses Pilotprojekt führte 2008 zu der Peace-Koalition, in der mindestens die Hälfte aller Kirchen weltweit in einem Netzwerk zusammengeschlossen wurde, um Entwicklungsländern zu helfen.

Warren würde Obama keine Stimmen kosten – wer könnte schon gegen jemand sein, der so politisch korrekt ist?

Und was hätte McCain von einem Vizepräsidenten Warren? Das Gleiche wie Obama: Warren ist politisch korrekt. McCain gilt als durchsetzungsstark, nicht aber als diplomatisch oder einfühlsam. In einer Zeit, in der die Amerikaner ein Ende des teuren Krieges wünschen, werden ihm die Wirtschaftsrezepte der Republikaner und das Säbelrasseln gegenüber dem Iran kaum Stimmen bringen. Zuletzt hat er sich etwas in die Mitte bewegt – Warren passt dazu perfekt. McCains To-do-Liste für die von ihm vorgeschlagene „Liga der Demokratien“ klingt, als hätte er sie von Warren abgeschrieben: Kampf gegen Aids, Hilfe für Darfur, keine Bomben gegen den Iran. Im letzten Winter befremdete McCain selbst viele seiner eigenen Wähler, als er sich öffentlich von zwei derart rechtsradikalen Predigern unterstützen ließ, dass er sich gezwungen war, mit ihnen zu brechen – was andere ihm wiederum übel nahmen. Rod Pasley sieht es als Berufung Amerikas, die „falsche Religion“ Islam zu zerstören; er hat Abtreibungsärzte mit dem Ku-Klux-Klan verglichen. John Hagee ruft nach einem „Heiligen Krieg“ gegen den Iran und nennt den Katholizismus „eine große Hure“. Was liegt näher für McCain, denFehler wiedergutzumachen, sich mit derartigen Gestalten umgeben zu haben, als sich an den smarten Warren zu binden?

Obama und McCain können Warren nichts bieten

Würde Warren es tun? Wohl kaum. Amerikas Prediger wussten schon immer, dass es mehr bringt, transzendente Macht außerhalb der Politik auszuüben, als mit Heuchelei und Bestechlichkeit einer Regierung in Verbindung gebracht zu werden. Rick Warren kann viel für Obama und McCain tun – die beiden haben aber zu wenig, was sie ihm anbieten können.

Die Autorin ist Professorin an der New York University. Zuletzt erschien von ihr im Parthas-Verlag das Buch „Warnung vor dem Freunde: Tradition und Zukunft amerikanischer Außenpolitik“.

Marcia Pally

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