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POSITIONEN: 300 Euro pro Kopf und Monat

Statt Hartz IV: Mit einer Grundleistung ginge alles besser.

So bunt wie das Leben, so vielfältig die Notlagen, die es mit sich bringen kann. Die alte Sozialhilfe mit ihrer Mischung aus Regelleistungen, Einmalleistungen und Sachleistungen trug dem Rechnung. Doch diese lebensnahe Flexibilität fiel der an sich lobenswerten Zusammenführung von Arbeitsförderung und Grundsicherung („fordern und fördern“) zum Opfer. Die pauschalierten Hartz-IV-Sätze ignorieren, dass der gesunde arbeitslose Handwerker auf dem Dorf mit eigenem Gemüsegarten weniger finanzielle Unterstützung braucht als die chronisch kranke alleinerziehende Mutter mit behindertem Kind in der Großstadt.

Durch die Umstellung von Sozialhilfe auf Hartz IV bekommen viele Leistungsempfänger mehr als zuvor. Dennoch erreichen viele andere nicht das vom Grundgesetz garantierte Existenzminimum, wie das Bundesverfassungsgericht am vergangenen Dienstag festgestellt hat. Diese haben, so die Karlsruher Richter, ab sofort Anspruch auf zusätzliche Leistungen bei „besonderem Bedarf“. Hier kommt nun auf die ohnehin überlasteten Jobcenter eine Flut von Einzelanträgen zu, und auch die Klageflut bei den Sozialgerichten wird weiter anschwellen.

Die alte Sozialhilfe war billiger, entsprach dem Grundgesetz und führte zu weniger gerichtlichen Beanstandungen als Hartz IV. Wie aber lässt sich ein solcher Zustand wiederherstellen, ohne das richtige Ziel der Hartz-Reformen zu gefährden, mehr Menschen in Arbeit zu bringen? Sicher nicht, indem man die Regelsätze anhebt, wie dies einige Sozialverbände und die Linkspartei fordern. So würde das Ganze noch teurer, vor allem aber würde sich Arbeit noch weniger lohnen.

Also muss man es andersherum anpacken: Man muss auch denen, die arbeiten, eine gewisse Grundleistung geben. 300 Euro pro Kopf und Monat als Basis, das würde es vielen bisherigen Hartz-IV-Familien erlauben, mit einem eigenen Zuverdienst über die Runden zu kommen. Entsprechend weniger Einzelfälle müssten die Jobcenter betreuen. Das könnten sie dafür umso intensiver. 300 Euro für jeden ohne Bedarfsprüfung, das bedeutet „Stütze“ auch für Millionäre. Empörend? Nein, denn diese Stütze bekommen sie längst.

Auch Millionäre können den steuerlichen Grundfreibetrag geltend machen, und der erspart jedem, der unter den Spitzensteuersatz fällt, 300 Euro im Monat. Bei einer fünfköpfigen Familie bedeutet das 1500 Euro monatliche „Stütze“ für Spitzenverdiener. Wenn man statt des Grundfreibetrags jedem 300 Euro auf die Hand gibt und dafür jedes Einkommen vom ersten Euro an versteuert, ändert sich für den Millionär überhaupt nichts. Eine Hartz-IV- Familie aber käme mit diesen 1500 Euro plus 1000 Euro Arbeitseinkommen in den meisten Fällen alleine klar, kein Sachbearbeiter würde sie mehr sehen.

Eine solche Regelung käme auch nicht teurer, im Gegenteil. Zwar sparen Steuerzahler, die nicht auf den Spitzensteuersatz kommen, mit dem Grundfreibetrag weniger als 300 Euro im Monat. Ein entsprechendes Basisgeld wäre also erst mal teurer. Aber das lässt sich durch eine Anpassung der Steuersätze ausgleichen. Gleichzeitig würde eine Reihe von Sozialleistungen wie Kindergeld und Bafög hinfällig, andere Leistungen würden weniger oft oder in geringerer Höhe in Anspruch genommen.

Im Gegensatz zu unfinanzierbaren Grundgehaltsmodellen, wie sie etwa die Linkspartei und der Unternehmer Götz Werner propagieren, und im Gegensatz zu bürokratischen Monstern wie dem Bürgergeld der FDP ist ein solches Basisgeld je nach Ausgestaltung kostenneutral bis kostensparend bei verringertem Behördenaufwand. Und das I-Tüpfelchen: Junge Paare, die sich in der Ausbildung oder unsicheren Beschäftigungsverhältnissen befinden, können es mit einer solchen Basis eher wagen, eine Familie zu gründen. Das wäre ein Stück mehr Zukunft für unser Land.

Der Autor ist Hauptstadtkorrespondent der Deutschen Welle und Buchautor („Generation Abgrund – Stirbt Europa aus?“).

Peter Stützle

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