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POSITIONEN: Auch Teheran twittert nach Kairo

Iran kämpft gegen mehr Freiheit und Demokratie in Ägypten

Es ist kein Zufall, dass iranische Oppositionelle in ihren Grußadressen an die tunesischen und die ägyptischen Revolutionäre stets davor warnen, die Islamisten zu unterschätzen. Ihre Sorgen werden durch die offen zur Schau gestellte Begeisterung des Regimes in Teheran über die Kairoer Demonstrationen gespeist. Die ist nicht verwunderlich, sehen die Ajatollahs die prowestliche ägyptische Diktatur doch seit dem Friedensschluss mit Israel als einen ihrer Erzfeinde an.

Die Ziele der ägyptischen Moslembrüder, deren ideologische Vordenker Schriften mit so eindeutigen Titeln wie „Unser Kampf mit den Juden“ verfasst haben, sind trotz des sunnitisch-schiitischen Gegensatzes jenen des iranischen Regimes durchaus ähnlich. In der wichtigsten Oppositionsgruppe existieren zweifellos unterschiedliche Flügel, von denen sich einer eher an der türkischen AKP orientiert. Schaut man sich deren immer hemmungslosere antiisraelische Politik und die Annäherung an das Regime in Teheran an, ist allerdings unklar, warum das ein Anlass zur Entwarnung sein sollte. Israel hat gute Gründe, den Machtzuwachs der Islamisten zu fürchten: Der im Westen als moderat gepriesene Mohammed el Baradei kooperiert offen mit den Moslembrüdern und hat dem iranischen Regime in seiner Zeit als Direktor der Atombehörde IAEO viel Freude bereitet. Das ägyptische Oppositionsbündnis Kifaya, in dem sich Linke, Islamisten und Nationalliberale zusammengeschlossen haben, hat Mubarak immer wieder für seine Kooperation mit Israel attackiert und eine Petition zur Aufkündigung des Friedensvertrags von Camp David gestartet.

Die zentrale Frage lautet, ob jener für den Nahen Osten so typische Mechanismus durchbrochen werden kann, bei dem die innergesellschaftlichen und durch den Weltmarkt evozierten Widersprüche, die allein durch einen Sturz des Regimes nicht verschwinden würden, stets in Aggression gegen den jüdischen Staat transformiert werden. Diese Verschiebungsleistung erfolgt keineswegs automatisch, und es gibt in Tunesien zahlreiche und in Ägypten zumindest einige Anzeichen, dass die Sache ausnahmsweise einmal erfreulich ausgehen könnte. Die keineswegs dominierenden, aber immer wieder auftauchenden Bilder, auf denen die Demonstranten Mubarak mit aufgemalten Davidsternen als „Judenknecht“ brandmarken, rufen aber in Erinnerung, worin dieser Aufstand auch enden könnte.

Nur wenn sich die Revoltierenden gegen die mächtigen Feinde der Freiheit unterschiedlichster Couleur am Nil durchsetzen, würde dem iranischen Regime die Freude über die ägyptische Revolution vergehen. Eine Regierungsbeteiligung der Moslembrüder entspricht hingegen ganz dem Kalkül der Machthaber in Teheran. Im besten Fall müssten die Demonstrationen in Nordafrika zur Inspiration für einen erneuten Anlauf zum Sturz der verhassten Ajatollah-Diktatur im Iran werden. Der wäre eine gute, wenn auch sicher keine hinreichende Versicherung dagegen, dass der arabische Frühling in Ägypten nicht zu einer Intifada gegen Israel verkommt, die den Massen weder Freiheit noch Brot zu bieten hätte.

Um den Sturz des iranischen Regimes zu befördern wäre es notwendig, ihm durch konsequente Sanktionen die Fortsetzung seiner Projekte unmöglich zu machen. Doch was macht die deutsche Regierung? Die im Besitz des Regimes befindliche Europäisch-Iranische Handelsbank (EIH) in Hamburg beispielsweise hat mittlerweile internationale Bedeutung für das Milliardenbusiness mit dem Iran erlangt. Deutschland weigert sich bisher beharrlich, gegen die EIH vorzugehen, wofür die Regierung in den letzten Tagen völlig zu Recht scharfe Kritik von US-Senatoren erntete. Deutschland wird durch die EIH zur globalen Drehscheibe für die Finanzierung eben jenes Handels, mit dem das iranische Regime nicht nur sein Nuklearwaffenprogramm, sondern auch die Unterstützung der islamistischen Organisationen finanziert, die jede Hoffnung auf Emanzipation in den arabischen Ländern zunichte machen könnten.

Der Autor ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Uni Wien und Mitherausgeber von „Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung“ (Studienverlag 2010).

Stephan Grigat

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