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Positionen: Bibi, der Ayatollah

Netanjahu – schonungslosund ein Revisionär. Und der bestimmt Nahost

Benjamin Netanjahu und die israelische Rechte reiben sich die Hände. Nach dem Scheitern Zippi Livnis, eine Koalition zustande zu bringen, ist auf Dauer die Rückkehr des Likud-Vorsitzenden in das Amt des Regierungschefs faktisch unvermeidlich. Netanjahu als Ministerpräsident verheißt in der gegenwärtigen kritischen Situation für den jüdischen Staat, für das entstehende Palästina, ja für den gesamten Nahen Osten eine Eskalation der bestehenden Spannungen.

Netanjahu gehört einer aussterbenden Spezies der israelischen, ja der Politik der westlichen Hemisphäre an. Er ist Überzeugungstäter. Netanjahu besitzt ein von Ideologie geprägtes Weltbild und eine entsprechende politische Überzeugung. Bibi, wie Netanjahu von jedermann im Judenstaat gerufen wird, ist zionistischer Revisionist.

Er ist ein später Jünger Wladimir Jabotinskys (1880–1940). Der Vater der israelischen Rechten zeichnete sich durch schonungslose Ehrlichkeit aus. Er begriff, dass die zionistische Grundthese, die einheimischen Araber würden die Masseneinwanderung der verfolgten europäischen Hebräer und die Errichtung eines jüdischen Staates auf deren Heimatterritorium gutheißen und davon profitieren, Wunschdenken war. „Die Araber lieben ihre Heimat mindestens so wie wir“, bekannte Jabotinsky. Das Land Israel müsse daher mit Gewalt geschaffen und verteidigt werden – am wirksamsten mit einer „Eisernen Mauer“. Es kam so, wie Jaobtinsky vorhersagte. Zu seinen Lebzeiten wollten nur wenige darauf hören.

Einer von ihnen war Ben-Zion Netanjahu, Bibis Vater. Der Historiker erzog seine Söhne im Sinne seines Vorbilds Jabotinsky. Nachdem sein Bruder Joni 1976 als Soldat bei der Befreiung israelischer Geiseln getötet worden war, fühlte Bibi sich verpflichtet, fortan seinem Land als Politiker zu dienen. Gemäß dem eigenen Verständnis.

Dieser Hintergrund macht verständlich, warum Netanjahu anders als das Gros der israelischen Politiker zu seinen Überzeugungen steht. Im Gegensatz zum Kadima-Gründer Ariel Sharon, der seinem Ende entgegendämmert, oder dem Chef der Arbeitspartei Ehud Barak sowie Zippi Livni mag sich Netanjahu nicht mit einem palästinensischen Staat an Israels Seite abfinden. Damit befindet er sich in der Liga der nahöstlichen Prinzipienreiter und Neinsager: Irans Präsident Ahmadinedschad will den jüdischen Staat auslöschen, ebenso wie die von ihm unterstützten palästinensischen Hamas-Islamisten sowie die libanesische Hisbollah.

Für alle gilt: das Ideal heiligt die Mittel. Ein Krieg der Prinzipien aber kann und ist in der Vergangenheit im Nahen Osten wiederholt zu einem realen Waffengang eskaliert. Die Gefahr bekommt eine schreckliche globale Dimension, da der Iran sich anschickt, Kernwaffen zu entwickeln.

Die Mehrheit der Israelis klammert sich in dieser kritischen Lage an den Hardliner Netanjahu. Das hat drei Gründe. Die Verständigungspolitiker Livni, Barak & Co sind gescheitert. Der Rückzug aus Gaza hat lediglich zu einem Triumph der Hamas-Islamisten mit Geiselnahmen und Raketenbeschuss geführt. Die gleichen Konsequenzen befürchtet man bei einer Preisgabe Ostjerusalems, der Westbank und der Golanhöhen an Syrien. Dies soll der Prinzipientreue Bibi verhindern.

Das aus Angst geborene Vertrauensmandat seiner Landsleute wird Netanjahu erheblichen Spielraum verleihen. Klebt Bibi an seinen Prinzipien, trägt er zu einer Verschärfung bei, die Kriegsgefahr nimmt zu. Gelingt es ihm jedoch, über seinen weltanschaulichen Schatten zu springen, wie einst seinem Vorgänger Begin, der 1979 Frieden mit Israels Erzfeind Ägypten schloss, könnte Netanjahu historisches Format gewinnen – ähnlich dem Franzosen Charles de Gaulle, der den Verzicht auf Algerien durchsetzte.

Die Israelis werden Benjamin Netanjahu bald den Schlüssel aushändigen – zum Krieg oder zum Frieden.

Der Autor ist Chefredakteur der „Atlantic Times“.

Rafael Seligmann

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