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POSITIONEN: Bundeswehr: Mission impossible

Die bisherigen Auslandseinsätze sind strategische Desaster Von Michael Wolffsohn

Die bisherigen Bundeswehr-Einsätze sind strategische Desaster. Haben also die 2007 postgouvernemental rückgewendeten Grünen und PDS/Linke als heftigste Kritiker dieser Politik recht? Mitnichten. Aber Rot-Grün und Schwarz-Rot haben die Bundeswehr und damit die deutsche Sicherheitspolitik in eine Sackgasse geführt.

In Afghanistan gewinnen die Taliban gefährlich an Boden. Die Opiumernte, die wichtigste Einkommensquelle des Taliban-Terrors, erreicht neue Rekorde und beliefert 93 Prozent des globalen Marktes, was weltweit Tausenden von Menschen das Leben kostet.

Im Kongo wird (trotz – oder vielleicht wegen? – der dort stationierten 17 000 UN-Soldaten) nicht zuletzt von Regierungssoldaten mehr geraubt, getötet und vergewaltigt als vor dem Bundeswehr-Einsatz, der diese Regierung mit anderen „Friedenstruppen“ „demokratisch“ installierte.

In Bosnien-Herzegowina können sich die Konfliktparteien nicht einmal auf eine einheitliche, sprich: ethnisch gemischte Polizei einigen, und die wohl bevorstehende Gründung des albanischen Kosovostaates ist das Drehbuch des nächsten Balkankrieges um „Großalbanien“. Serbien, Kosovo, Albanien und Mazedonien werden ihn führen. Das ist die bisherige Bilanz der „Friedenseinsätze“ der Bundeswehr.

Nicht der Einsatz an sich ist ein strategischer Fehler, die Strategie ist falsch. Gibt es eine? Diese ketzerische Frage drängt sich angesichts der Ergebnisse auf.

Demokratie für den Kongo? Ein ehrenwertes Ziel. Aber mit Kabila als Partner? Ein Hohn, zudem undurchdacht, denn der Kongokrieg ist nicht rein innen-, sondern zugleich regional- und wirtschaftspolitisch bedingt. Zudem ist dieser Konflikt nicht zu lösen, ohne die ethnolinguistischen Strukturen dieses und anderer afrikanischer Staaten völlig neu – und endlich friedensstiftend – zu konzipieren.

Wenn die Menschen in Bosnien-Herzegowina nur darauf warten, sich wieder die Kehlen durchzuschneiden, wird es der Bundeswehr und ihren Partnern leider nicht gelingen, diesen Wahnsinn dauerhaft zu verhindern. Irgendwann geraten wir zwischen die Fronten. Und dann sind wir „Besatzer“. Gutmeinend, aber nichts (mehr) bewirkend.

Wer heute den neuen Staat „Kosovo“ militärisch und damit politisch „sichert“, schürt morgen in friedlicher Absicht einen neuen Krieg. Die dann gefährdete serbische Minderheit wird mithilfe Serbiens ihre „Sicherheit“ anstreben und sich lösen. Das wird weder Kosovo hinnehmen noch Albanien, das bei dieser Gelegenheit Kosovo sozusagen „heim ins Reich“ führen würde. Will Kosovo aber Teil eines albanischen Großalbaniens sein oder lieber ein kosovarisches Großalbanien? Die Albaner Mazedoniens wollen dann auch zu Großalbanien. Doch zu welchem, dem albanischen oder kosovarischen? Wurde dieses Szenario mitgedacht?

In Afghanistan sind Kampf und Krieg gegen die Taliban richtig, denn ihre Herrschaft gewährte dem internationalen Terror eine territoriale Basis. Wer dem Terror die Basis entziehen möchte, darf aber nicht vorgeben, es gäbe sie nicht in Teilen Pakistans, dem Nachbarn Afghanistans.

Wer A sagt, muss auch B sagen und den „treuen Verbündeten“ Pakistan zum entschlossenen Kampf gegen diesen Staat im Staat drängen – oder sich selbst diesem Kampf stellen: Schlimmes (Gewaltanwendung) tun, um Schlimmstes (die Stärkung des Terrors) zu vermeiden.

Weil nicht dafür ausgebildet, kann keine Armee der Welt zivil- administrative oder gar politische Strukturen aufbauen, auch nicht unsere „Bürger in Uniform“-Bundeswehr. Genau das aber, also die Quadratur des Kreises, soll sie in Afghanistan leisten: „Mission impossible“. Man mache sich nichts vor, die zivilen Aufbauleistungen, die amtlich gepriesen werden, hören sich aus erster Hand deutlich anders an, die Bilanz des Misserfolges an der Terror- und Opiumfront ist eindeutig und die Tüchtigkeit oder Redlichkeit der Karsai- Regierung nicht überwältigend.

Möglich – und nötig! – wäre die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den Taliban-Terror. Nicht die Vernichtung der Taliban muss das Ziel sein, wohl aber deren Mäßigung, konkret: die Bereitschaft, auf die Förderung des Terrors zu verzichten. Erst dann gibt es (des außenpolitischen Experten Kurt Beck Lieblingstraum) „gemäßigte Taliban“. Deren Handlungen wären nicht mehr das Problem internationaler, sondern national-afghanischer Politik. Die ausländischen Truppen könnten abziehen.

Als Ersatz des Technischen Hilfswerks ist der Bundeswehr- Einsatz weder zivil-politisch noch militärisch sinnvoll. Das sollten die Mitglieder des Bundestages wissen, wenn sie über Bundeswehr-Einsätze abstimmen.

Der Autor lehrt Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München. Der Text gibt seine persönliche Meinung wieder.

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