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POSITIONEN: Darfur liegt an der Ostsee

Die EU muss endlich auch Sanktionen gegen Sudan beschließen Von Gerhart Baum

Seit mehr als vier Jahren ist dieser „Völkermord auf Raten“ ohne Lösung geblieben, trotz vielfacher diplomatischer und politischer Versuche. Die Lage der Menschen – und darauf allein kommt es an – hat sich in keiner Weise verbessert. Mehr als zweieinhalb Millionen sind vertrieben und leben unter täglicher Bedrohung für Leib und Leben durch Gewaltakte und Hunger. Zu den etwa dreihunderttausend Opfern kommen täglich neue hinzu.

Hauptverantwortlich ist die Regierung in Khartum. Sie bedroht ihre eigenen Staatsbürger, die sie selbst aus den Dörfern vertrieben hat und in unerträglicher Weise auch die Hilfsorganisationen, die täglichen Schikanen ausgesetzt sind. In Heiligendamm sind alle versammelt, die daran etwas ändern können. Wenn die Völkergemeinschaft einig ist, wird sich Khartum bewegen und sich den Beschlüssen des Sicherheitsrates nicht weiter widersetzen.

In den letzten Tagen hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen neuen Plan für eine gemeinsame Eingreiftruppe der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union vorgelegt. Insgesamt zwanzigtausend Mann sollen eingesetzt werden, um die Zivilisten zu schützen und humanitäre Hilfe zu garantieren. Diese „mobile und robuste Militärstreitmacht“ soll Gewalt eindämmen. Bisher sind siebentausend Mann der Afrikanischen Union vor Ort, die mit dieser Aufgabe überfordert waren. Ban Ki Moon knüpft an einen eindeutigen Sicherheitsratbeschluss des letzten Jahres an, dessen Verwirklichung die sudanesische Regierung sich seit Monaten widersetzt. Der Gipfel sollte sich hinter diese Initiative stellen.

Der amerikanischen Regierung ist jetzt der Geduldsfaden gerissen. Sie hat Sanktionen gegen sudanesische Unternehmen und Einzelpersonen beschlossen und plant ebenfalls eine Initiative im Sicherheitsrat. Wo bleiben vergleichbare Maßnahmen der Europäischen Union? Warum kümmert sich Herr Solana nicht mit der gleichen Intensität um die humanitäre Katastrophe wie um die drohende atomare Aufrüstung im Iran? Die Chinesen, enge Verbündete des Sudan, zeigen jetzt eine gewisse Nachdenklichkeit. Dies sollte genutzt werden wie seit langem gefordert! Zu den notwendigen Maßnahmen gehören auch ein verschärftes Waffenembargo und ein Verbot von Militärflügen.

Ziel muss ein nachhaltiger Friedensprozess sein. Alle Regionen des Sudan müssen an seiner politischen und ökonomischen Entwicklung beteiligt und nicht wie Darfur marginalisiert werden. Entscheidend ist, ob es gelingt, den Friedensprozess vor Ort durch Wiederbelebung der traditionellen Konfliktlösungsmechanismen zwischen den arabischen und afrikanischen Stämmen, der von der sudanesischen Regierung zerstört worden ist, voranzubringen.

Mit spektakulären Friedensverträgen, von oben diktiert, ist und wird nichts bewirkt werden. Diese Friedensbemühungen von der Wurzel her sollten unter internationalem Schutz erfolgen. Der Westen muss sich daran ebenso beteiligen wie an einer möglichen Friedenstruppe, wenn die UN dies wünscht. Auch der Friedensprozess zwischen dem Nord- und Südsudan, der in Gang gekommen ist, darf nicht aus den Augen verloren werden.

Die deutsche Entwicklungshilfe muss endlich freigegeben werden, und der Süden braucht kompetente Berater. Es muss ein Ende haben mit der folgenlosen Betroffenheitsrhetorik. Die Ruandakatastrophe hat bisher keinen Lernprozess bewirkt!

Der Autor war von 1978 bis 1983 Bundesinnenminister. Von 2000 bis 2003 war er UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte für den Sudan.

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