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POSITIONEN: Das Militär steckt nicht mehr hinter der Schiebetür

Das geplante Ehrenmal für die Soldaten steht in einer veralteten Tradition. Beschworen wird eine militärische Ehre, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert herausgebildet hat.

Wofür stirbt der Soldat im Einsatz? Für das politische Gemeinwesen ist es ein grundsätzlicher Unterschied, ob ein Soldat verunglückt oder bei einem Einsatz sein Leben verliert, der politisch gewollt war. Der gewaltsame Tod des Soldaten fordert deshalb mehr als Trauer und Erinnerung: nämlich politische Rechtfertigung. Seit deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen stehen, ist diese Frage aktuell. Darauf hat das in Berlin geplante „Ehrenmal“ Antworten zu geben.

Die Neue Wache blendet mit dem Gedenken an die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ die Frage nach dem Sinn des aktiven Einsatzes aus. Sie spricht nur die Opfer von Gewalt an. Deshalb ist es sinnvoll, Überlegungen zu neuen Gedenkformen anzustellen. Welche Antwort will das geplante „Ehrenmal“ geben? Es präsentiert sich eindeutig als militärisches Denkmal. Es setzt die Tradition des innermilitärischen Totengedenkens der Bundeswehr fort. Zu den Denkmälern der Teilstreitkräfte, dem „Marine-Ehrenmal“ in Laboe, dem „Ehrenmal des deutschen Heeres“ in Ehrenbreitstein, dem „Ehrenmal der Luftwaffe und der Luftfahrt“ in Fürstenfeldbruck soll nun ein „Ehrenmal der Bundeswehr“ hinzutreten. Das Denkmal soll, so das Verteidigungsministerium, dem „militärischen Zeremoniell“ ebenso wie der „persönlichen Erinnerung“ dienen. Mit anderen Worten: Das Militär als Teilinstitution der Gesellschaft und die Angehörigen von zu Tode gekommenen Soldaten sind die Hauptadressaten des Denkmals.

Beschworen wird dabei eine militärische Ehre, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert herausgebildet hat. Diese wurde als berufsständische Ehre verstanden, die ihre Basis fand in der Logik von Befehl und Gehorsam und in der unpolitischen Loyalität gegenüber dem Monarchen. Diese militärische – und als solche antibürgerliche – Ehre konkurrierte mit einer liberal konzipierten „Bürgertugend“, einem „Bürgersinn“, der die Bereitschaft, den „Tod fürs Vaterland“ in Kauf zu nehmen, als Ausweis staatsbürgerlicher Teilhabe am Gemeinwesen deutete und das mit dem Anspruch an politische Partizipation verband. Alle Denkmalsstiftungen seit 1813, die sich als ,bürgerlich’ verstanden und sich darin von den monarchischen Kriegerdenkmälern abgrenzten, hoben diesen eigenen Beitrag der Staatsbürger hervor – der sich auf politische Überzeugungen bezog und nicht auf Gehorsam.

Es gehört deshalb unstrittig zu den großen Leistungen nach der Gründung der Bundeswehr, dass sich das Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“ gegen viele Widerstände durchgesetzt hat. Wenn die Bundeswehr heute Teil der demokratischen Gesellschaft ist, basiert das auf der staatsbürgerlichen Imprägnierung des Militärs.

Deshalb ist ein Begriff von „Ehre“, der sich nicht auf staatsbürgerliche Überzeugung bezieht, sondern allein auf die unpolitische Funktionslogik von Befehl und Gehorsam, auf Begriffe wie Dienst, Pflicht und Treue, befremdlich. Das Verteidigungsministerium akzentuiert diesen Ton jedoch in besonderer Weise: Der Soldat sei „verpflichtet“ zu dienen. Dass Militär und zivile Gesellschaft auch durch gemeinsame politische Werte verbunden sind, scheint vergessen zu sein. Selbst in der Ästhetik spiegelte das Denkmal – wird es wie vorgesehen gebaut – die scharfe Trennung von Militär und ziviler Gesellschaft wider. Die verschiebbare Wand schließt die nichtmilitärische Außenwelt oder das Militär aus. Eine gemeinsame Begegnung von Öffentlichkeit und Militär – als politische Staatsbürgergesellschaft – ist am Denkmal weder möglich noch gewollt.

An einem zentralen Punkt jedoch greift der Entwurf über das Militärische hinaus. Die Inschrift - „Den Toten unserer Bundeswehr, für Frieden, Recht und Freiheit“ – unterstellt ein Subjekt, welches „seiner“ Toten gedenkt. Die Bundeswehr kann damit kaum gemeint sein. Es ist die Bundesrepublik. Die Inschrift würde das militärische Denkmal damit zum staatlichen Denkmal erheben.

Die überfällige Symbolisierung des Soldatentodes kann sich indes nur auf den Bürger in Uniform beziehen. Alles andere stände im Widerspruch zum staatsbürgerlichen Selbstverständnis unserer Republik.

Der Autor ist Historiker an der Martin-Luther-Universität zu Halle-Wittenberg.

Manfred Hettling

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