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POSITIONEN: Die US-Finanzkrise lässt hoffen...

...auf einen neuen amerikanischen Präsidenten. Von ihm kann sich Europa die Rückkehr der USA in die Transatlantische Partnerschaft und in eine kooperative Staatengemeinschaft erwarten.

Die Bundeskanzlerin hat – erneut – Transparenzregeln für die globalen Finanzmärkte gefordert. Sie hat dabei, auch das zu Recht, beklagt, dass Washington und London sich bisher dazu verweigert haben.

Was derzeit geschieht, wird nachhaltige Wirkungen auf die Realwirtschaft haben, schon werden die Wachstumsprognosen weltweit nach unten korrigiert. Die Systemkritik an der Marktwirtschaft bekommt neue Nahrung und ein gefährlicher Antiamerikanismus auch.

Hat sich nun die Fragwürdigkeit des marktwirtschaftlichen Systems erwiesen oder ist die Forderung nach Transparenz auf den Finanzmärkten eine ordnungspolitische Sünde? Keineswegs. Schlag nach bei Ludwig Erhard. Er brachte es auf den Punkt. Der Staat solle die Regeln für das ökonomische und finanzielle Spiel bestimmen, aber so wenig wie der Schiedsrichter solle er mitspielen. Man könnte hinzufügen, zu den Regeln gehört auch die Bestrafung des Regelverstoßes. Wie aber soll der Schiedsrichter Regelverstoß bestrafen, wenn er ihn wegen Dunkelheit nicht sehen kann? Deshalb eben ist Transparenz geboten, um in international abgestimmten Rahmenbedingungen ein sauberes Spiel zu ermöglichen. Nein, nicht die Marktwirtschaft ist schuld, sondern diejenigen, die ihr Rahmen und Regeln verweigern.

Erinnern wir uns: Anfang 2007 wurde plötzlich vor Staatsfonds gewarnt – chinesischen und russischen. Darüber ist es still geworden, aber in der USA entsteht der größte Staatsfonds aller Zeiten.

Ist damit der Befund beendet? Leider nein. In Wahrheit ist die US-Finanzkrise ein weiteres Ergebnis des Ausstieges der Bush-Administration aus der Transatlantischen Partnerschaft und aus der globalen Kooperation, die sich seit Ende des Kalten Krieges entwickelt. Um stabile Rahmenbedingungen dafür haben sich am Ende des Kalten Krieges die damalige Administration Bush/Baker und die damalige Bundesregierung bemüht. Auch Bill Clinton verlangte, die USA sollten sich für eine neue Weltordnung einsetzen, in der sie sich auch dann noch wohlfühlen könnten, wenn sie nicht mehr das stärkste Land der Welt sind.

Die Bush-Administration aber versuchte sich aus internationalen Bindungen zu lösen: Ausstieg aus den Beschränkungen für Nuklearwaffen, keine Ratifikation des konventionellen Abrüstungsvertrages für Europa – KSE. Flucht aus den Bindungen der Einstimmigkeit der Nato in ein sogenanntes Bündnis der Willigen. Hinwegsetzen über internationales Recht durch den Krieg gegen den Irak. Verweigerung eines internationalen Strafgerichtshofs, aber auch von Transparenzregelungen für die globalen Finanzmärkte. Nicht minder gefährlich ist das Fernhalten von Global Playern wie China, Indien oder Brasilien oder von Staatengruppen, wie Golfkooperationsrat und Asean von den G-8-Gipfeln. Aber auch der Versuch, Russland aus dem G-8-Gipfel hinauszudrängen oder es gar zu isolieren.

Ist das alles eine Art chaotisch motivierte Regelverweigerung? Keineswegs. Es ist die gefährliche Illusion, in einer vermeintlich unipolaren, auf Washington fokussierten und von dort dominierten Weltordnung die Regeln allein bestimmen zu können und das auch noch von Fall zu Fall.

Was also muss Europa, was muss die Welt von einem neuen amerikanischen Präsidenten erwarten: nicht mehr und nicht weniger als die Rückkehr in die Transatlantische Partnerschaft und in eine kooperative Staatengemeinschaft. Sie ist im Zeichen globaler Interdependenz noch bedeutsamer, als am Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals waren es die USA, die die Welt in den Vereinten Nationen zusammenführten.

Präsident Bush sen. hatte recht, als er 1990 vom Entstehen einer neuen Weltordnung sprach. Diese kann nur eine kooperative sein. Sie muss gegründet sein auf die Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der Staaten und Regionen unserer Welt. So wie das für Europa heute in der Europäischen Union schon Wirklichkeit ist. Das ist die Botschaft Europas an die Welt.

Die Illusion, ein Land könne den Lauf der Welt allein bestimmen, ist zu gefährlich, als dass man sie ausprobieren sollte.

Es schlägt die Stunde Europas!

Der Autor war von 1974 bis 1992 Außenminister.

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