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Positionen: Flirten statt bomben

Die USA und der Iran müssen den Atomstreit politisch lösen. Doch zwischen Washington und Teheran herrscht ein enormes Misstrauen.

Die Politik der USA gegenüber dem Iran hat sich innerhalb von kaum mehr als zwei Jahren um fast 180 Grad gedreht: Zunächst stand die US-Regierung den europäischen Bemühungen, eine diplomatische Lösung des Atomstreits mit Teheran auf den Weg zu bringen, bestenfalls freundlich-skeptisch gegenüber. 2006 entschied sich Außenministerin Rice dann, ein europäischen Verhandlungsangebot an den Iran zu unterstützen; in diesem Jahr unterschrieb sie ein detailliertes Papier sogar selbst und schickte ihren Staatssekretär zu den Gesprächen, die Javier Solana im Namen der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands mit dem iranischen Atomunterhändler Dschalili führte. Gleichzeitig begann man in Washington über die Einrichtung einer Visastelle in Teheran nachzudenken; und der iranische Präsident ließ verlauten, dass er dies und jede Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Völkern begrüße.

Auf beiden Seiten gibt es Gründe für diesen Flirt. Präsident Ahmadinedschad weiß, dass eine substanzielle Verbesserung der Beziehungen mit den USA bei seinen Landsleuten populär wäre und seine Wiederwahl im nächsten Jahr sichern könnte. In Washington erklärt man zwar, dass die militärische Option „auf dem Tisch bleibe“. Man weiß aber, dass ein Militärschlag das iranische Nuklearprogramm allenfalls zeitweise zurückwerfen würde. Und man weiß – vor allem die militärische Führung hat das wiederholt deutlich gemacht – dass man keinesfalls einen weiteren Krieg im Mittleren Osten braucht. Wenn man den Friedensprozess im Nahen Osten vorantreiben, den Irak und Afghanistan stabilisieren und das Image der USA in der islamischen Welt verbessern will, sind aktive Beiträge zur Deeskalation angesagt, gerade auch gegenüber Iran.

Ohne eine Beteiligung der USA wird es keine Lösung des Atomkonflikts geben. Und tatsächlich haben der Iran und die USA im Irak wie auch in Afghanistan partiell gemeinsame Interessen. Beide Seiten wollen beispielsweise, dass die irakische Regierung ihre Autorität durchsetzt und demokratische Strukturen erhalten bleiben. Gleichwohl arbeiten sie nicht zusammen. Auch von einer ernsthaften gemeinsamen Suche nach einer Lösung des Atomstreits, die das Recht des Irans auf nukleare Forschung respektieren und gleichzeitig sicherstellen würde, dass das iranische Nuklearprogramm nicht zu militärischen Zwecken missbraucht werden kann, lässt sich derzeit nicht sprechen. Zwischen Washington und Teheran herrscht enormes Misstrauen, das auch durch die vorsichtigen diplomatischen Annäherungsversuche der letzten Wochen kaum abgebaut wurde.

So wird die iranische Führung ihren Einfluss im Irak nur dann auch konstruktiv nutzen, wenn sie sich nicht gleichzeitig durch die US-Präsenz in ihrer Nachbarschaft bedroht fühlt. Auch in der Atomfrage spielt Sicherheit eine zentrale Rolle. Dabei sind die USA der einzige Staat, der mit Blick auf die sicherheitspolitischen Sorgen Irans etwas anzubieten hat. Für die iranische Führung schließt Sicherheit sowohl die territoriale Integrität des Landes wie auch die Sicherheit des Regimes ein: Solange die Regimespitze das Gefühl hat, nicht als legitimer Akteur akzeptiert zu werden, wird sie gerade in der Nuklearfrage nicht die Entscheidungen treffen, die notwendig wären, um Vertrauen bei der internationalen Gemeinschaft aufzubauen.

Die Europäer waren sich von Beginn ihres Engagements an bewusst, dass sie einen diplomatischen Prozess mit dem Iran initiieren und am Leben halten können. Einen Durchbruch allerdings braucht die Kooperation Amerikas und Irans. Irgendwann wird deshalb Washington ein Angebot machen müssen, das Teheran nicht zurückweisen kann. Das könnte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und die Freigabe eingefrorener iranischer Guthaben enthalten; es müsste aber vor allem die Aussicht auf eine Form von Sicherheitsgarantien einschließen. Solche Garantien würden selbstverständlich von iranischen Schritten abhängig gemacht, nicht zuletzt von solchen, die der Iran vor wenigen Jahren, im Frühjahr 2003, auf eigene Initiative anzubieten bereit war. Dazu gehörte die Anerkennung einer Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Verhältnis, die Einstellung der Unterstützung für militante palästinensische Gruppen und die Herstellung voller Transparenz über Nuklearprogramme. Aus solchen Elementen könnte schließlich der „Grand Bargain“ hervorgehen, über den in Washington seit einigen Monaten immer öfter gesprochen wird.

Der Autor leitet die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). In dieser Woche ist in der Edition Suhrkamp sein neues Buch „Iran – eine politische Herausforderung. Die prekäre Bilanz von Vertrauen und Sicherheit“ erschienen.

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