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POSITIONEN: Frosch mit Bier

Die Deutschen sind Europas Streber, auch in Frankreich sieht man sie so. Doch auch die Franzosen müssen sich an Deutschland orientieren. Warum aus Hollande und Merkel doch noch ein trautes Paar werden kann.

Deutsche Idee“, „Deutsche Erfindung“: Die letzte französische Opel-Werbung spielt mit dem Vorurteil, dass ein deutsches Produkt zu kaufen, gleichbedeutend damit ist, Qualität zu kaufen. Folgender Werbespot wurde in Frankreich ausgestrahlt: Ein Verkäufer zeigt Kunden ein Auto, er redet nur auf Deutsch. Dann heißt es: „Sie brauchen kein Deutsch zu sprechen, um zu verstehen, dass dieser Opel ein echtes deutsches Auto ist.“

Wenn die Autofirma ein solches Verkaufsargument präsentiert, kann man sich vorstellen, dass deutsche Qualität in der Tat einen besonderen Status genießt.

In Frankreich kennen wir Deutschland nicht sehr gut. Bier, Wurst, Pünktlichkeit und Ordnung: Das sind die Klischees, die wir über unsere Nachbarn haben. Aber es gibt auch diese Idee des „Made in Germany“, was gleichbedeutend sein soll mit Qualität. Bosch-Maschinen, Kinder-Bonbons, Playmobil-Spielzeug, Siemens-Produkte: Deutsche Firmennamen sind überall in Frankreich präsent und werden immer als qualitativ präsentiert. Wie auf den Streber in der Schulklasse sind Franzosen eifersüchtig auf die Deutschen. Deutschland hat dieses Bild des Erfolges, was wir auch haben wollen. Bis jetzt bleiben wir weit weg von diesem Ziel.

So wie es Klischees über Deutsche gibt, so gibt es auch Klischees über Franzosen. Mit der französischen 35-Stunden-Woche ist aber das gleiche Image schwer zu erreichen. Sobald die Grenze zu Frankreich überschritten wird, kommt unser Bild der faulen Franzosen zurück. Doch Statistiken belegen: Die Arbeitszeit in beiden Ländern ist nicht so unterschiedlich. Während die Franzosen 39,4 Stunden pro Wochen arbeiten, sind die Deutschen 40,6 Stunden pro Woche bei der Arbeit.

Das Problem liegt wahrscheinlich nicht bei der Mentalität der Franzosen. Aber die Lage des Arbeitsmarktes in Frankreich ist ernst. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sie beträgt ungefähr zehn Prozent. Dies sagt viel darüber aus, warum François Hollande gewählt wurde. „Die Änderung ab sofort“ war sein Wahlkampfmotto. Hollandes Partei hat auch die absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Der neue Präsident ist bereit für neue Projekte. Er fordert mehr Wachstum und wünscht sich die Rente mit 60 zurück. Diese Politik wird zwar nicht helfen, das Klischee über Franzosen zu ändern. Um daran zu arbeiten, hat Hollande eine Sitzung mit seinen Ministern, den Tarifpartnern und den Gebietskörperschaften in Paris organisiert. Er hat seine Prioritätenliste definiert. Darauf steht: Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit, Konsolidierung des Haushalts, Vereinfachung des Wiedereinstiegs in den Beruf. Hollande möchte den Firmen helfen, damit sie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht so viele Mitarbeiter entlassen müssen. Als Beispiel nennt der Präsident die Regionen, wo diese Veränderungen bereits erfolgreich waren. Auch auf Deutschland nimmt er laut und deutlich Bezug.

Während des Wahlkampfes hatte Hollande auf die Frage nach dem „deutschen Modell“ geantwortet, dass er nicht ein anderes Land imitieren wolle. Er forderte den Aufbau von „unserem eigenen Modell mit unserer Macht und unseren Schwächen“. Gleich danach hat er Deutschland für seine Forschung und Entwicklung gelobt.

Grundsätzlich hat Hollande recht. Zuerst hat Frankreich seine eigene Besonderheit und Bürden. Eine deutsche Lösung den Franzosen aufzudrängen, wäre ein Irrtum. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind sich die Nachbarländer immer näher gekommen. Aber unsere Persönlichkeiten und unsere Geschichte bleiben verschieden. Es gibt nicht nur eine Lösung für die Krise, sondern mehrere.

Nur unter dieser Prämisse kann sich Hollande vom deutschen Erfolg begeistern lassen. Und in dieser Krise hat er nicht wirklich die Wahl. In der Realpolitik folgt die Politik eben oft dem Geld.

Deutschland als Beispiel zu nehmen, ist für ihn unumgänglich. Frankreichs neuer Präsident kann das deutsche Modell, den deutschen Einfluss nicht negieren. Nach dem Gespann „Merkozy“ stellt sich nun die Frage, ob Merkel auch mit ihm die Geschicke Europas lenken kann.

Mit Hollande kommt ein Politikwechsel. In Frankreich regiert jetzt die Linke. Aber während des deutsch-französischen Treffens in Reims waren die Anfangsschwierigkeiten des Politikerpaares vergessen. „Lieber François“ begrüßte die Kanzlerin den Neuankömmling im Élysée-Palast. Durch den Dom gingen sie gemeinsam wie ein zukünftiges Ehepaar. Mit Klischees muss man vorsichtig sein. Doch es gibt die Chance, dass zum Frosch immer besser ein Bier passt.

Die Autorin kommt aus Frankreich und arbeitet zur Zeit als Robert-Bosch-Stipendiatin beim Tagesspiegel.

Marine Mugnier

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