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POSITIONEN: Land der traurigen Gestalten

Deutschlands Problem ist noch immer das schwache Selbstbewusstsein

Deutschland – das sind dichte Fenster, sagte Angela Merkel einmal auf die Frage, welche Empfindungen das Land in ihr wecke. Soll heißen: Hier zieht’s nicht, aber es mieft schon mal. Lässt sich wahre Heimatliebe treffender zusammenfassen? Oder ist das dann doch ein bisschen wenig Empathie für eine Bundeskanzlerin? Ich weiß noch: Ich fand die Bemerkung damals witzig. Irrtum: Sie ist nicht witzig. Sie entspricht dem Niveau, auf dem wir regiert werden: Kindergarten oder Altenheim. Die haben es auch gern dicht.

Respekt kann nur erwarten, wer sich selbst respektiert. Das ist eine Banalität, die nicht nur für Menschen, sondern auch für Staaten gilt. Nur irgendwie nicht für Deutschland. Nicht nur Politiker, auch die Deutschen selbst scheinen ihr Land stets misstrauisch zu mustern, ob da womöglich wieder einer in alte Unarten zurückfällt. Nötige Diskussionen werden im Keim erstickt, sobald jemand „Diskriminierung“ zu wittern glaubt. Obwohl das Wort doch nichts anderes heißt als: Unterscheidung. Also werden Unterschiede vorsichtshalber geleugnet. Die angestaute Frustration darüber hat sich in der Sarrazin-Debatte Bahn gebrochen.

Alles nur „Wutbürger“, frustrierte Alte, rückwärtsgewandt und voller Hass? Da ist sie wieder, die Sprache der moralischen Überlegenheit – die Sprache der Respektlosigkeit. Doch wer respektiert werden will, braucht Selbstachtung. Warum, zum Teufel, sollten andere Respekt vor einem Land haben, in dem die Menschen fürchten, als ausländerfeindlich und rassistisch zu gelten, wenn sie primär an die eigenen Wertvorstellungen und erst danach an den Ramadan denken? In dem niemand Grenzen zieht und überall der Kuschelfaktor dominiert? In dem „Leistungsträger“ verachtet und „Leistungsempfänger“ heiliggesprochen werden? Und in dem man glaubt, Bildung sei durch mehr Geld zu bekommen und nicht durch eine Umgebung, in der Produktivität, Leistung und Herausforderung den Alltag bestimmen – kurz, in der gearbeitet wird?

Das Problem ist noch immer das schwache deutsche Selbstbewusstsein, der mangelnde Behauptungswille, das beständige Zurückweichen vor dem Konflikt zwischen „ihr“ und „wir“. Den aber gibt es, ob wir wollen oder nicht.

Souverän ist, wer sich seiner selbst sicher ist. Deutschland hat seine Souveränität erst der Form nach zurückgewonnen. Ohne Wir-Gefühl aber fühlt sich der Steuerbürger als Beutetier. Ohne gemeinsame Vision glaubt er sich ausgenutzt – von einem Staat, dem er ein Gutteil des Erarbeiteten überlässt, und der das nicht würdigt. Und dessen Repräsentanten kein Ziel vermitteln, auf das man sich gern verständigt – nicht nur mit gleichgültiger Ergebenheit ins angeblich Alternativlose, sondern mit innerer Überzeugung. Auch in der gar nicht mehr so bürgerlichen Mitte entsteht eine Parallelgesellschaft, die sich ihre Idee eines Lebens von Bedeutung selbst gibt. Denn von der politischen Kaste und der Kanzlerin hat sie diesbezüglich nichts zu erwarten.

Was ist Deutschland denn? Mehr als ein Verbund von Steuerzahlern. Mehr als ein bloßer Ort für das Nebeneinander der Menschen und Kulturen. Es gehört ein ganzer historischer Raum dazu, der sich mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder geöffnet hat. Landschaft. Architektur. Traditionen. Mythen. Märchen, mindestens so exotisch wie Tausendundeine Nacht. Geschichte, die nicht nur jenes dreckige Dutzend Jahre unter Hitler umfasst. Und eine Bevölkerung, die etwas Besseres verdient hat als schulmeisterliches Mahnen und Warnen.

Deutschlands Problem ist nicht zu viel Selbstgewissheit oder gar „Stolz“, sondern zu wenig von alledem. Das Unbehagen, das viele hierzulande angesichts radikaler muslimischer Abgrenzung empfinden, hat nichts mit „Islamophobie“ zu tun. Noch nicht einmal die Minderheit der wirklich unangenehmen muslimischen Fundamentalisten oder Machos ist das Problem. Ihr Verdienst ist lediglich, dass sie den durch historische Schuld (und nicht nur durch den deutschen Pass) verbundenen Deutschen schmerzhaft deutlich gemacht haben, als was für traurige Gestalten sie dastehen.

Die Autorin ist Publizistin.

Gerade ist von ihr erschienen:

„Angela Merkel. Ein Irrtum“ (Knaus Verlag).

Cora Stephan

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