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Meinung: Positionen: Mehr Sachlichkeit, bitte - es gibt auch gute Gründe für die Präimplantationsdiagnostik (PID)

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in der Grünen Partei umstritten. Umstritten bedeutet: Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung und keine Denkverbote, um zu einer mehrheitlich getragenen Position zu finden.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in der Grünen Partei umstritten. Umstritten bedeutet: Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung und keine Denkverbote, um zu einer mehrheitlich getragenen Position zu finden. Das aber ist schwierig herzustellen, wenn einzelnen Personen in der Debatte "eugenisches Gedankengut mit faschistischer Tradition" unterstellt wird.

Die PID ist ein diagnostisches und kein therapeutisches Verfahren. Ein Eingriff in die Erbsubstanz findet nicht statt. In Absprache mit der Mutter sollen die Embryonen übertragen werden, die keine Merkmalsträger für schwere genetische Krankheiten darstellen. Das diagnostische Verfahren PID kann erst eingesetzt werden, nachdem die Verfahren zur künstlichen Befruchtung IVF seit mehreren Jahren angewendet werden. Bei der IVF wird es bisher ungewollt kinderlosen Paaren ermöglicht, ein eigenes Kind zu zeugen. Das Verfahren der IVF ist allerdings äußerst belastend und zieht sich manchmal über Jahre hin. Obwohl diese Verfahren seit etwa 18 Jahren angewendet werden, sind sie noch keinesfalls Routineverfahren. Ungewollte Mehrlingsschwangerschaften stellen zum Beispiel für die Paare, die diesen Weg gehen, eine erhebliche psychische Belastung dar. Niemand wird zu IVF gezwungen, sondern die Paare wenden sich mit ihrem Kinderwunsch freiwillig an solche spezialisierte Einrichtungen.

In den letzten Jahren haben zehn europäische Länder, darunter Großbritannien, Dänemark, Italien, Frankreich, Belgien und die Niederlande die PID als diagnostisches Verfahren unter engen Kriterien zugelassen. Im Augenblick ist es so, dass betroffene Frauen hierzulande, die PID aufgrund ihrer genetischen Vorbelastung wünschen, in andere europäische Länder ausweichen müssen.

Im Grunde geht es darum, dass Weiterentwicklungen der medizinischen Diagnostik ethische Fragen aufwerfen. Das gilt für die Pränataldiagnostik, deren häufigstes Verfahren die Fruchtwasseruntersuchung ist, ebenso wie für die PID. Diese Fragen lassen sich nicht einfach durch Verbotsforderungen beantworten, nur weil wir noch nicht in jedem Einzelfall einen neuen ethischen oder rechtlichen Konsens haben.

Betrachtet man allerdings die PID als Weiterentwicklung der Pränataldiagnostik, dann wird mit der PID keine qualitativ neue Stufe erreicht. Vielmehr wird ein zusätzliches Verfahren angewendet, das einer Gruppe von Paaren mit genetischen Vorbelastungen oder Erfahrungen mit schwerstbehindert geborenen Kindern eine Möglichkeit bietet, die Geburt eines gesunden Kindes vorzubereiten.

Gegen die PID werden mehrere Gegenargumente immer wieder vorgetragen. Erstens: PID vermindert die Toleranz gegenüber Behinderten. Zweitens: PID ermöglicht die Selektion und die Menschenzüchtung. Beide Gefahren können durch das neue diagnostische Verfahren PID nicht völlig ausgeschlossen werden. Sie sind aber auch kein zwingend notwendiges Ergebnis von der PID. Nahezu allen medizinischen Verfahren liegt die Gefahr zugrunde, dass das gewollte Ziel - die Gesundheit eines individuellen Menschen - als zwingende Norm auf alle übertragen wird und damit terroristisch wirkt.

Zum Beispiel: HIV. Bei HIV-Patienten werden diagnostische Test-Verfahren zur Feststellung des Verlaufes der Erkrankung eingesetzt und niemand kommt auf die Idee, solche diagnostischen Verfahren verbieten zu wollen, weil sie potenziell als Kontrolle gegenüber den HIV-Patienten angewendet werden können, weil zum Beispiel Versicherungen auch die Information abfordern wollen. Alle diese Gefahren sind hier gegeben, sie müssen eben durch rechtliche und ethische Regeln gebannt werden.

Auch das tolerante Verhalten der Gesellschaft gegenüber Behinderten hängt nicht davon ab, ob es diagnostische Verfahren gibt, die bei der Befruchtung das Risiko einer Behinderung verringern. Keinem Behinderten ist geholfen, wenn Frauen solche Erkenntnismöglichkeiten vorenthalten werden. Dazu gibt es in Deutschland ausreichende gesellschaftliche Erfahrung mit der Pränataldiagnostik.

Es geht vielmehr darum, dass die PID keinesfalls unter der Dominanz des medizinisch-industriellen Sektors stehen darf. Wir brauchen die Weiterentwicklung eines ethischen Konsenses, der die positiven Möglichkeiten dieses neuen diagnostischen Verfahrens für die Betroffenen ermöglicht und gleichzeitig die Gefahren, die damit verbunden sind, eindämmt. Hier liegt die zentrale Aufgabe der Grünen.

Vor diesem Hintergrund sind die bisherigen Regeln des Embryonenschutzgesetzes gute Leitlinien. Wenn es gelingt, im Rahmen der Novellierung dieses Gesetzes klarzustellen, dass die PID nur zum Zweck der Erkennung eines hohen genetischen Risikos für das zukünftige Kind eingesetzt werden kann und die dazu erzeugten menschlichen Embryonen für keinen anderen Zweck benutzt werden dürfen, dann ist ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der "fremdnutzige Forschung" an menschlichem Erbgut untersagt.

Der Autor ist Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Bernd Köppl

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