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POSITIONEN: Mehr Witz als Verstand

Ich hege für Gregor Gysi eine gewisse Sympathie. Aber diese Sympathie wird getrübt, wenn ich mir ansehe, was er so sagt. Denn er redet sich oft und gern in Rage – zu oft und zu gern.

Ich hege für Gregor Gysi eine gewisse Sympathie. Er ist schlagfertig, witzig und gelegentlich selbstironisch. Aber diese Sympathie wird getrübt, wenn ich mir ansehe, was er so sagt. „Meine Stärke besteht darin, dass ich in aller Regel genau das sage, was ich denke“, hat er in dieser Zeitung erklärt. Das kann ich nicht glauben. Dafür ist er zu intelligent. „Im Osten und in Berlin Koalitionen mit uns einzugehen, sie aber im Westen zu verbieten, ist spalterisch oder einfach dumm“, wirft er Kurt Beck vor.

Koalitionsfähig müssen aber auch die betreffenden Abgeordneten sein. Dumm wäre es, die zusammengewürfelte Truppe, die die Linke in Hessen und Niedersachsen in den Landtag schickt, für regierungsfähig zu halten. In Hessen ist der Spitzenkandidat nicht einmal Parteimitglied und war schnell nachgeschoben worden, nachdem der erste sich zu sehr blamiert hatte.

Und nun das Problem mit Frau Wegner von der DKP, die die Mauer und die Stasi rechtfertigt. Da äußert Gysi eine brisante These, von der er mutmaßt, der Tagesspiegel werde sich nicht trauen, sie zu veröffentlichen. Da spielt ihm wohl die DDR-Erinnerung einen Streich. Die brisante Nachricht: Er kann sich nicht vorstellen, dass eine DKP-Politikerin so dumm ist, so etwas vor der Hamburg-Wahl zu äußern, da muss der Verfassungsschutz dahinterstecken. Offenbar erinnert sich Gysi an die „Zersetzungsmaßnahmen“ der Stasi. Die Dummheit übrigens bezieht er bloß auf den Zeitpunkt der Äußerung. Denn dass nicht nur in der DKP, sondern auch in der Linken viele so dumm sind, so etwas immer noch zu denken, muss er wissen. Die Linke pflegt schließlich gute Beziehungen zu den diversen Organisationen der „bewaffneten Organe der DDR“, wie ISOR, GRH, GBM.

Generalverdacht gegen die Reichen

Zumwinkels Steuerhinterziehung ist für ihn „nicht nur ein Offenbarungseid der reichen Eliten. Es ist auch eine Bankrotterklärung für die rot-grüne Steuersenkungspolitik.“ Dass „die reichen Eliten“ allesamt Steuern hinterziehen, ist auch durch 1000 Ermittlungsverfahren noch nicht bewiesen. Da schürt er schnell mal den Generalverdacht gegen die Reichen. Und was bitte hat der Fall Zumwinkel mit Steuersenkungspolitik zu tun? Die Unternehmenssteuersenkung jedenfalls betraf Zumwinkel gar nicht, der war bekanntlich Angestellter und nicht Unternehmer – abgesehen davon, dass Unternehmenssteuer und Unternehmersteuer zweierlei sind. Gysi unterstellt, die Steuersenkungen seien eine Maßnahme gegen Steuerhinterziehung gewesen. Das ist mir neu. Gysi fordert „viel mehr Steuerprüfer“. Vielleicht brauchen wir mehr, aber die nützen nichts, solange Liechtenstein mauert.

Den Bundeswehreinsatz in Afghanistan hält er für völkerrechtswidrig. Das ist eine starke These, denn er ist vom UN-Sicherheitsrat legitimiert. „Aber generell gilt: Wer Militär einsetzt, schafft nur neue Gewalt.“ Ganz so generell gilt das aber offenbar doch nicht, denn „in Ruanda hätte ich … einer Militärintervention zugestimmt“. Ich übrigens auch, um den Völkermord zu beenden. Gysi weiß aber genau, warum die UN einen solchen Einsatz nicht beschlossen haben: „weil Kriege immer aus ökonomischen Gründen geführt werden“. Immer? Israel hat den Sechstagekrieg nicht aus ökonomischen Gründen geführt und Großbritannien den Falklandkrieg auch nicht. „Befreiung von außen gibt es nicht. Menschenrechte lassen sich nicht durch Krieg durchsetzen.“ Dem Letzteren stimme ich zu. Aber Völkermord lässt sich sehr wohl durch Militär beenden, siehe Ruanda. Und wenn der 8. Mai 1945 für uns auch ein Tag der Befreiung war, dann gibt es gelegentlich doch „Befreiung von außen“.

Mir kommt ein alter Witz in den Sinn. Die Genossen hätten drei Tugenden: ehrlich, überzeugt und intelligent. Aber jeder habe nur zwei davon: wenn ehrlich und überzeugt, dann nicht intelligent, wenn ehrlich und intelligent, dann nicht überzeugt, wenn überzeugt und intelligent, dann nicht ehrlich. Wie ordne ich nun Gregor Gysi ein?

Der Autor ist Professor für Theologie an der Humboldt-Universität.

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