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POSITIONEN: Merkel in der Krise? Welche Krise?

Es war kein Vorbildstart: Aber Schwarz-Gelb hat schon viel geleistet

Die schwarz-gelbe Koalition hat am 27. September einen klaren Regierungsauftrag erhalten. Angela Merkel und Guido Westerwelle – das war jedem Wähler bekannt – würden die Führungspersönlichkeiten der neuen Bundesregierung sein. Die Verteilung der Gewichte in der neuen Koalition, insbesondere Zugewinne und Verluste, geben deutliche Hinweise, worum es den Wählern geht. Das Abschneiden der CSU konnte nicht überraschen. Es hatte sich ein Jahr vorher bei der bayerischen Landtagswahl abgezeichnet. Das öffentliche Ansehen der Bundeskanzlerin ist groß. Umso unverständlicher, dass gerade sie zur Zielscheibe der Kritik aus der eigenen Partei und aus der Schwesterpartei wird.

Es ist schon eigenartig, dass großes persönliches Vertrauen in der Wählerschaft und die Fähigkeit, zusammen mit einem zukunftsfähigen Partner – der FDP –, eine Mehrheit für eine neue Politik zu gewinnen, im eigenen Hause als Zufallserfolg herabgesetzt wird. Könnte es nicht sein, dass die CDU ohne Angela Merkel schlechter abgeschnitten hätte? Manches, was man jetzt hört, klingt mehr nach Angst vor der Zukunft als nach dem in der Koalitionsvereinbarung gemeinsam geforderten Mut zur Zukunft. Wie soll Vertrauen entstehen, wenn nicht über die Durchsetzung des Vereinbarten diskutiert wird, sondern darüber, ob und warum Vereinbartes nicht geht. Ein bisschen mehr „Ja, wir können es“ wäre schön, und „Ja, wir wollen es“ gehört auch dazu.

Die drei Parteivorsitzenden der Koalition sind sich aller dieser Gedanken sicher bewusst und werden danach handeln. Ein Treffen der drei am Jahresanfang sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Von einem Krisengipfel zu sprechen, ist eine in hohem Maße überflüssige Dramatisierung. Kanzlerin und Vizekanzler – die Verfassung kennt übrigens nur einen Stellvertreter der Regierungschefin – lassen an ihrem Willen zur Zusammenarbeit keinen Zweifel. Das Kabinett verbindet Erfahrung mit frischen Gesichtern. Darüber lohnt es sich zu reden. Die Öffentlichkeit sieht das auch so.

Der Außenminister hat schneller, als mancher erwartet haben mag, die Rolle eines Garanten der Kontinuität deutscher Außenpolitik übernommen. In der Türkeipolitik setzt er entschlossen fort, was die Bundeskanzler Adenauer und Erhard Anfang der 60er Jahre mit dem Abschluss eines Assoziierungsvertrags der EG mit der Türkei und mit dem Ziel der aus damaliger Sicht baldigen Mitgliedschaft der Türkei in der EG wollten. Der Assoziierungsvertrag ist in seiner Anlage und Gestalt eine Art privilegierter Partnerschaft. Angela Merkel hat in der Kontinuität dieser Politik als Kanzlerin zweier höchst unterschiedlicher Regierungen die Politik einer ergebnisoffenen Verhandlung der Mitgliedschaft der Türkei in der EU fortgeführt. Abschließende Entscheidungen werden übrigens in dieser Legislaturperiode nicht anstehen.

Auch im deutsch-polnischen Verhältnis, eine der historisch und moralisch für das ganze Europa bedeutsamsten Beziehungen, ist der Außenminister Garant der Fortsetzung einer historisch und moralisch begründeten deutschen Außenpolitik. Hier muss jeder Zweifel ausgeschlossen bleiben. Mehrdeutigkeiten sind da nicht erlaubt.

Dem Verteidigungsminister, um ein anderes Beispiel klarer Positionen in der Bundesregierung zu benennen, kommt das Verdienst zu, die Verharmlosung des Einsatzes unserer Soldaten in Afghanistan zu beenden. Unsere Soldaten haben hier Anspruch auf Klarheit und Wahrheit. Das Volk muss wissen, was Regierung und Parlament unseren Soldaten abverlangen. Zu den berechtigten Erwartungen unserer Soldaten gehört auch die angemessene Ausrüstung und Bewaffnung.

Alles in allem, ein Vorbildstart war es nicht. Aber die schon gezeigten Leistungen – sie wurden beispielhaft genannt – sollten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Nicht vergessen sollte man, dass der Kampf um die Mitte erfolgreich war. Der Versuch, diese Mitte nach rechts zu verschieben, würde am Wähler vorbeigehen.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Außenminister.

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