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POSITIONEN: Monstertrucks im Rückspiegel

Grüne und ADAC schmieden ein historisches Bündnis

Waggons vorbeifahrender Züge zu zählen, war mal ein beliebtes Kinderspiel. Geht es nach dem Willen einflussreicher Teile der Transportlobby, könnte an Bundesstraßen und Autobahnen bald anders gezählt werden – die Zahl der Achsen der sich vorbeiquälenden Riesen-Lkw, die 60-Tonner, von der sich einige Großspediteure mehr Kapazität und Profit versprechen. Mehr als 25 Meter lang, mit bis zu acht Achsen sollen diese im weitläufigen Skandinavien bereits eingesetzten Gigaliner auch im dicht besiedelten Deutschland und in der EU zugelassen werden. Am 9. und 10. Oktober werden die Länderverkehrsminister über die Zulassung befinden. Gibt Deutschland grünes Licht, werden sie in der EU kaum noch zu verhindern sein.

Bisher liegt das maximale Gesamtgewicht der gut 18 Meter langen Brummies bei 40 Tonnen. Dass dies so bleibt, fordert eine breite Interessenkoalition von Grünen bis hin zum ADAC. Klare Fakten schaffen eben manchmal ungewöhnliche Koalitionen. Denn solche Mammut-Lkw sind brandgefährlich für die Sicherheit auf den Straßen. Ein 60-Tonner, der ungebremst mit 80 km/h in ein Stauende fährt, besitzt fast die gleiche Bewegungsenergie wie ein 40-Tonner, der mit Tempo 100 aufprallt. Zudem sind die Leitplanken an Autobahnen nur für Fahrzeuge bis 38 Tonnen ausgelegt. Der ADAC warnt auch vor neuen Gefahren in Tunneln, denn mehr Güter bedeutet mehr Brandgefahr. Millionenteure Nachrüstungen wären notwendig, wollte man das jetzige Sicherheitsniveau halten.

Viel Geld müsste für die Gigaliner in die Straßeninfrastruktur gesteckt werden. Vor allem Brücken hätten unter deren Last zu leiden. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen wären insgesamt elf Milliarden Euro für ihre Verstärkung notwendig. Hinzu kämen noch die Kosten für den Umbau von Kreuzungen, Kreisverkehren und Lkw-Rastplätzen. Durch die höhere Belastung der Straßen verteuert sich auch die Instandhaltung, die schon heute aus Geldmangel vernachlässigt wird. All diese Kosten soll die Allgemeinheit tragen, damit ein paar Großspediteure ihren Profit maximieren. Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Kosten? Damit muss Schluss sein!

Auch verkehrspolitisch wären die Gigaliner eine Katastrophe, weil sie die propagierte Verlagerung auf die umweltfreundliche und sichere Schiene verhindern würden. Denn der Gütertransport auf der Schiene besteht zu etwa 50 Prozent aus dem Einzelwagen-Güterverkehr und dem kombinierten Verkehr auf Schiene und Straße. Und gerade diese Transporte würden von den Monstertrucks bedroht. 1,3 Millionen Lkw-Fahrten würden dann auf das Fernstraßennetz zurückverlagert. Eine Horrorvision angesichts der Klimadebatte. Um das Image der Umweltfreundlichkeit nicht zu gefährden, hat sich auch die DB AG, die mit dem Kauf des Lkw-Spediteurs Schenker zu einem der größten Transportunternehmen auf Europas Straßen avanciert ist, gegen die Gigaliner ausgesprochen.

Das EU-Parlament hat sich deutlich positioniert und den Monstertrucks die Rote Karte gezeigt. Neben den ökologischen und finanziellen Gründen spielte auch eine Rolle, dass ein großer Teil der heutigen 40-Tonner schon halb leer unterwegs ist – bei zunehmender Tendenz.

Größere Trucks heißt nicht weniger Lkw. Denn größere Trucks ziehen mehr Güterverkehr von der Schiene auf die Straße. Das wollen weder die Grünen noch der ADAC – und verkraften kann es weder der Steuerzahler noch die Umwelt. Der Güterverkehr muss auf die Schiene verlagert werden!

Auf der Oktober-Konferenz muss Bundesverkehrsminister Tiefensee Farbe bekennen. Weder beim Tempolimit noch bei der Kerosinsteuer hat er die Zeichen des Klimawandels erkannt. Schwächelt er auch bei den Monstertrucks, können sich CDU und SPD in Zukunft auch die klimafreundlichen Sonntagsreden sparen.

Der Autor ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament.

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