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Ali Gomaa ist Großmufti von Ägypten. Im Bild rechts: Proteste in Afghanistan.

© picture alliance, AFP

Ägyptens Großmufti Ali Gomaa: Muslime sollten die Provokation ignorieren

Wir Muslime lieben den Propheten Mohammed mehr als uns selbst. Und er hat uns vorgelebt, gelassen zu reagieren. Das sollte das muslimische Ideal sein. Aber Mitglieder aller Glaubensrichtungen sollten versuchen zu verstehen, was hinter der Verehrung der Muslime für ihren Propheten steckt. Ein Gastbeitrag des Großmufti von Ägypten.

Es steht außer Frage, dass Gewalt jedweder Art, ob hervorgerufen durch religiöse Gefühle oder säkulare Interessen, eindeutig und schärfstens abzulehnen ist. Das entspricht bester muslimischer Tradition und dafür steht auch beispielhaft der Prophet Mohammed selbst. Obwohl ihm immer wieder von Feinden übel mitgespielt wurde, ignorierte er diese Beleidigungen stets und nahm stattdessen den Pfad von Vergebung, Gnade und Mitleid. Diese Lehre wird am klarsten vom Koran selbst verdeutlicht, der die Gläubigen ermahnt: „Die gute Tat und die böse Tat sind nicht gleich. Weise die böse Tat mit einer Tat zurück, die besser ist.“

Die Welt kann solche Lehren – die authentische Botschaft des Koran und des Propheten des Islam – derzeit gut gebrauchen. Es ist wichtig, diese edlen Botschaften von jenen zu unterscheiden, die von denen unters Volk gebracht werden, die keine Ahnung von religiöser Interpretation, von der Auslegung des Koran oder der Geschichte des Islam haben. Leider ist die Situation in der muslimischen Welt derzeit so, dass die Institutionen und Strukturen legitimer Autorität so geschwächt sind, dass in religiösen Fragen die hetzerische Rhetorik die sorgfältige Analyse als Ratgeber ersetzt hat.

Wir brauchen heute dringend ernsthafte religiöse Führer, die die Realität der modernen Welt anerkennen – mit all den Herausforderungen und Schwierigkeiten –, um ein Umfeld zu schaffen, in dem die Menschen zusammenleben können. Das ist eine gemeinsame Aufgabe für Mitglieder aller Glaubensrichtungen und Kulturen.

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Ein notwendiger Teil dieser Aufgabe muss darin bestehen, verstehen zu wollen, was hinter der Verehrung des Propheten durch die Muslime steckt. Für mehr als eine Milliarde Muslime auf der ganzen Welt ist der Prophet das größte Vorbild. Er ist ihr Referenzpunkt und ist, wie der Koran erklärt, „ihnen wichtiger als sie sich selbst“.

Propheten sind in der islamischen Weltsicht der Weg, auf dem die Menschen Wissen über Gott erfahren. Das gilt für die Abfolge der Propheten vor dem Islam – einschließlich Abraham, Moses und Jesus – nicht weniger als für den Propheten Mohammed selbst. Sie sind verehrte Lehrer, die uns die wahre Natur der Wirklichkeit erklären, den Grund unserer Existenz und wie wir uns mit Gott verbinden können. Deshalb versuchen die Muslime dem Beispiel des Propheten in jedem Aspekt ihres Lebens zu folgen. Sie versuchen, diese Werte zu verinnerlichen. Dazu gehört, unter anderem, die Fähigkeit, gelassen, tolerant und gnädig auf bösartige Provokationen zu reagieren. Diese Werte sind, für Muslime, geistige Werte von allerhöchster Bedeutung, und sie werden beispielhaft verkörpert durch das Leben des Propheten Mohammed.

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Das sollte das muslimische Ideal sein, darin besteht kein Zweifel. Leider ist es nicht möglich, dass jeder diesem Ideal gerecht wird. Klar ist, dass die Zuneigung der Menschen zur Person des Propheten unvermindert ist, auch wenn sie aus ihren ganz eigenen Gründen nicht in der Lage sind, den Idealen, die er gelehrt hat, zu entsprechen. Beleidigungen des Propheten werden ernster genommen als die der eigenen Eltern und Familie, ernster sogar, als wenn man selbst beleidigt würde. Der Prophet ist eine heilige Figur, der den Muslimen gezeigt hat, wie man in der Welt leben muss, und dessen Erscheinen in der Welt ein Geschenk Gottes ist.

In diesem Sinne trägt das hetzerische Material, das offenbar die tiefen Gefühle von über einer Milliarde Menschen beleidigen will, nur zur Eskalation der Spannungen bei, ohne erkennbaren Gewinn. Muslime sollten solche Provokationen entweder ignorieren oder gewaltfrei dagegen protestieren – in den Grenzen, die ihre Religion ihnen vorschreibt. Diese Grenzen sind ohne Zweifel in den vergangenen Tagen überschritten worden, und das muslimische Establishment wie auch die Koptische Kirche in Ägypten haben geschlossen zur Ruhe aufgerufen, damit die Eskalation nicht voranschreitet.

Der Autor ist Großmufti von Ägypten. Übersetzt von Moritz Schuller.

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