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POSITIONEN: Nicht ganz in alter Treue

Warum Obama auch unter amerikanischen Juden unpopulärer wird

Ginge es nach jüdischen Wählern, wäre Barack Obama eine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sicher. Umfragen zeigen, dass rund sechzig Prozent der US-Juden ihre Stimme am 6. November 2012 dem Amtsinhaber geben wollen.

Auf den ersten Blick ist das ein Traumergebnis. In den USA aber, in denen demokratische Präsidentschaftskandidaten stets auf eine große jüdische Mehrheit zählen können, wird es als bescheiden gewertet. Schließlich hatte Obama 2008 sage und schreibe 78 Prozent der jüdischen Stimmen für sich verbucht. Seitdem hat sich fast jeder fünfte jüdische Wähler von ihm abgewandt.

Nun wird darüber gestritten, ob dieser Popularitätsverlust an Obamas Nahostpolitik liegt oder andere Gründe hat. Demokraten, die ihren Präsidenten nicht als antiisraelisch dargestellt sehen wollen, betonen, dass die Konfrontation zwischen Obama und der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu die amerikanischen Juden nicht sonderlich bewege. Zudem rangiere Israel unter jüdischen Amerikanern erst an fünfter Stelle ihrer Wahlkriterien, weitaus wichtiger seien die Wirtschafts- oder Gesundheitspolitik. Zudem stünden seine Stellungnahmen gegen die israelische Siedlungspolitik in der Tradition aller amerikanischen Regierungen. Auch Obamas Amtsvorgänger, George W. Bush – ein besonders israelfreundlicher Präsident – habe die israelische Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten nicht gebilligt.

Auf der Grundsatzebene mag das so sein. Allerdings verficht Obama die Antisiedlungspolitik weitaus vehementer als frühere Präsidenten. Zudem hat er sich im Mai dieses Jahres für einen israelisch-palästinensischen Gebietstausch auf Grundlage der Grenzen aus der Zeit vor 1967 ausgesprochen, statt sich mit einer vagen Forderung nach einem weitgehenden israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten zu begnügen. Schließlich macht das Weiße Haus unter Obama aus seiner Abneigung gegen Netanjahu besonders wenig Hehl. Das lässt sich an der Häufigkeit erkennen, mit der die Medien unter Berufung auf „hochrangige Quellen“ in der amerikanischen Regierung über Washingtons Misstrauen gegenüber Netanjahu berichten. Mit solchen gezielten Indiskretionen wird der israelische Regierungschef regelrecht vorgeführt.

Viele Juden besorgt das. Auch eine jüngst unter jüdischen Wählern durchgeführte Umfrage legt die Existenz eines Israel-Faktors nahe: Zwar befürworten mehr als acht von zehn US-Juden ein aktives Engagement ihrer Regierung im Nahost-Friedensprozess, doch lehnen die meisten von ihnen eine aktive Friedenspolitik der USA ab, wenn diese zu einer offenen Konfrontation mit Jerusalem führt.

Obamas härtere Gangart gegenüber Israel lässt bei nicht wenigen jüdischen Bürgern auch die Befürchtung aufkommen, der Präsident berücksichtige nicht in ausreichendem Maße die Gefahren, denen Israel sich gegenübersieht. Der Terrorangriff bei Eilat von diesem Donnerstag wird die Empfindlichkeit der jüdischen Wähler in dieser Beziehung weiter erhöhen – erst recht, falls sich der generalstabsmäßig geplante Anschlag als der Beginn einer Eskalation des antiisraelischen Terrorismus herausstellen sollte.

Obamas republikanische Herausforderer wollen Israel gezielt zum Wahlkampfthema machen. Dabei zielen sie nicht nur auf jüdische Wähler, sondern auch auf konservative Kreise wie auf Wechselwähler, unabhängig von deren ethnischer und religiöser Zugehörigkeit. Obamas Strenge gegenüber dem treuen US-Verbündeten Israel, so die republikanische Argumentation, sei unfair und gefährde amerikanische Interessen. Diese These haben sich führende Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur bereits öffentlich zu eigen gemacht. Unter solchen Vorzeichen könnte die Nahostpolitik einen stärkeren Einfluss auf die Präsidentschaftswahl haben, als die demokratischen Wahlstrategen voraussehen.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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