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Meinung: Positionen: Warum wir die PID brauchen

Die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird zurzeit emotional geführt. Nicht logisch, nicht wissenschaftlich, fernab der Realität und oftmals ohne fundiertes Wissen über das, was PID eigentlich ist und kann.

Die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird zurzeit emotional geführt. Nicht logisch, nicht wissenschaftlich, fernab der Realität und oftmals ohne fundiertes Wissen über das, was PID eigentlich ist und kann. Und, wie so oft: ohne Einbeziehung der Betroffenen.

Bei der PID wird ein außerhalb des Mutterleibes - mittels der in Deutschland erlaubten und praktizierten In-Vitro-Fertilisation - erzeugter Embryo im 8-Zell-Stadium auf einen spezifischen Gendefekt hin untersucht. Danach werden nur diejenigen Embryonen übertragen, die diesen Gendefekt nicht besitzen. Die PID ist ein rein diagnostisches und kein therapeutisches Verfahren. Das ist ein fundamentaler Unterschied, denn es findet kein Eingriff in die Erbsubstanz statt. Deshalb kann mit der PID auch kein in irgendeiner Art genetisch veränderter Mensch erzeugt werden. Die Befürchtung, dass mit der Einführung der PID ein Dammbruch zu unkontrollierter Selektion spezifischer Gene erfolgt, entbehrt jeder Grundlage - wenn klare Indikationsstellungen gesetzlich verankert werden.

Die PID ist sehr aufwendig und kann nicht eben mal zwischendurch praktiziert werden. Es gelten dieselben Risiken wie bei der In-Vitro-Fertilisation: Die Eientnahme ist schmerzhaft, die Implantation gelingt nicht immer und muss häufig wiederholt werden, und das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften ist gegeben. Aus der Anwendung der PID auf hundertprozentig genetisch gesunde Kinder zu hoffen, ist absurd, denn auch mit PID ist es nicht ausgeschlossen, dass die so gezeugten Kinder an genetischen Defekten leiden. Aber das ist Schicksal und entspricht dem normalen Lebensrisiko, Nachkommen mit genetisch bedingten Erkrankungen zu zeugen.

Dass die PID die Methode der Wahl zur Zeugung des eigenen Nachwuchses wird, ist schlicht nicht zu erwarten, da die natürliche Form der Kindererzeugung - wie Bundesforschungsministerin Bulmahn meint - "deutlich mehr Spaß macht." Es muss schon ein großer Leidensdruck im Sinne eines hohen Risikos für einen kindlichen, unheilbaren Erbschaden gegeben sein, um mit der PID den Wunsch nach einem Kind realisieren zu wollen.

Wer die Diskussion in Deutschland über die PID verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, wir Deutschen wären weltweit die Ersten, die PID einführen wollten. Doch wie in nahezu der gesamten Biomedizin ist Deutschland keineswegs der Vorreiter, wir hinken vielmehr hinterher. Deshalb ist für viele betroffene, deutsche Eltern die PID bereits heute schon im europäischen Ausland oder den USA Realität. Und davor kann auch die Politik ihre Augen nicht verschließen.

Unstrittig ist allerdings, dass mit der PID in Zukunft theoretisch eine Selektion bestimmter Merkmalsträger möglich sein könnte, wenn die Funktion einzelner Gene bekannt sein wird. Eine Vorstellung, die zu Recht abzulehnen ist. Darüber gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens.

Jetzt ist daher der Gesetzgeber gefordert, eine enge Indikationsstellung für den Einsatz der PID zu formulieren. Durch den Einsatz der PID kann das Auftreten schwer wiegender, unheilbarer Erkrankungen verhindert werden. Und was eine schwere, unheilbare Erkrankung für den Betroffenen und seine Angehörigen bedeutet, darüber sollten sich all jene, die jetzt lauthals ein Verbot der PID fordern, erst mal Gedanken machen. Es könnte auch irgendwann ihre Kinder oder Kindeskinder betreffen. Ein Beispiel: Jeder 20. Deutsche ist Träger des Mukoviszidose-Gens. Allein diese Zahl - exemplarisch an nur einer genetisch bedingten Erkrankung aufgezeigt - macht deutlich, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl an Bundesbürgern potenziell gefährdet ist, Nachkommen mit einer unheilbar genetischen Erkrankung zu zeugen. PID ist deshalb keinesfalls ein Luxus für wenige.

Es sollte nicht vergessen werden, dass es die Angelegenheit der betroffenen Eltern ist, sich für oder gegen ein Kind mit einer schweren, unheilbaren Erkrankung zu entscheiden. Eine außerordentlich schwierige Entscheidung, zumal viele schon ein erkranktes Kind haben, das sie ebenso lieben wie ein gesundes. Diese Entscheidung wird aber durch die Widersprüchlichkeit der derzeitigen Abtreibungsregelung vor der Alternative PID für die betroffenen Eltern umso belastender. Ein Embryo mit einer schweren Erkrankung darf laut Gesetzesregelung ohne zeitliche Befristung, also auch noch nach der zwölften Schwangerschaftswoche, abgetrieben werden - ein aus acht Zellen bestehendes, noch nie mit mütterlichem Gewebe in Kontakt getretenes Zellgebilde nicht? Das ist absurd. Auch mit legalen Verhütungsmitteln wie der Spirale wird das Einnisten des Embryos in den Uterus verhindert. Ethische Bedenken hat es deshalb bisher nicht gegeben.

Hoffen wir also, dass sich die Politik an den Realitäten orientiert und den Risikopaaren, die sich für die PID entschieden haben, nicht die bisher einzige Chance nimmt, unter einigermaßen menschenwürdigen Bedingungen ein Kind zu zeugen, das nicht in dem Wissen aufwachsen muss, wahrscheinlich viel früher zu sterben als andere.

Der Autor ist Human- und Zahnmediziner und Vater eines mukoviszidosekranken Kindes.

Thomas Beikler

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