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POSITIONEN: Wir brauchen Amerikas Atombomben

Warum stellen deutsche Politiker amerikanische Nuklearwaffen zur Disposition? Um sich mit fremden Federn als Abrüstungs-Champion zu feiern? Für einen Abzug von Nuklearwaffen aus Deutschland ist es zu früh.

Es gibt Abrüstung zur richtigen Zeit, wie die jüngsten, wenn auch moderaten Schritte zur Reduzierung amerikanischer und russischer strategischer Nuklearwaffen zeigen, die beim Gipfeltreffen in Moskau vereinbart wurden. Und es gibt Abrüstung zur Unzeit, nämlich die auf deutschem Boden befindlichen amerikanischen Nuklearwaffen abziehen zu wollen. Der Vorschlag kommt schlicht einige Jahre zu früh.

Einerseits kann natürlich argumentiert werden, dass Nuklearwaffen in Europa militärisch sinnlos sind und daher besser heute als morgen abgezogen werden sollten. Einen Abzug der zehn bis 20 amerikanischen Nuklearwaffen in Deutschland zu betreiben, bringt den US-Präsidenten aber in eine schwierige Situation. Erst im Dezember 2008 hat sich eine von US-Verteidigungsminister Gates beauftragte Arbeitsgruppe dafür ausgesprochen, die Stationierung von Atomwaffen in Europa fortzuführen. Im April 2009 wurde mit deutscher Zustimmung die Arbeit am neuen strategischen Konzept der Nato aufgenommen, in der die auf Europa erweiterte nukleare Abschreckung eine wichtige Rolle einnimmt. Innenpolitisch ist ein Abzug zudem strittig, denn damit wird ein Eckpfeiler deutscher Sicherheitspolitik infrage gestellt, schließlich gewährleistet die „nukleare Teilhabe“ auch ein Mitspracherecht in der Einsatzplanung. Abrüstungspolitisch ist es zudem unklug, lange vor entsprechenden Verhandlungen den jahrzehntelangen Wunsch der Sowjetunion nach einem vollständigen Abzug aus Deutschland zu erfüllen. Man mag dies „altes Denken“ nennen. Aber warum ein Verhandlungsunterpfand ohne Not vorzeitig aus der Hand geben?

Natürlich hat Deutschland aus guten Gründen dauerhaft auf den Besitz eigener Nuklearwaffen verzichtet und der Status als Nichtkernwaffenstaat ist Teil der deutschen Staatsräson. Abgesehen von der Nutzung ziviler Kernenergie war und ist jedoch auch die Existenz von Atombomben ein Teil der deutschen Realität, und das mit gutem Grund.

Vorrangiges Rational von Nuklearwaffen ist die Verhinderung eines Konflikts. Der Einsatz ist wegen ihrer Zerstörungskraft daher nur in existenziell bedrohlichen Situationen wahrscheinlich und glaubwürdig. Gleichwohl kann es weder im amerikanischen noch im deutschen Interesse liegen, aus Europa alle Kernwaffen vollständig abzuziehen, die absurd hohe Zahl russischer Atomwaffen aber unberücksichtigt zu lassen (2000 der etwa 13 000 russischen Nuklearwaffen zählen zum aktiven „substrategischen“ Bestand). Schließlich bleibt die Existenz amerikanischer Kernwaffen in Europa für viele Nato-Verbündete von großer politischer Bedeutung. Neuen Nato-Mitgliedern ist die nukleare Präsenz Amerikas in Europa angesichts der russischen Intervention in Georgien wichtig, um ein geteiltes Risiko innerhalb der Allianz zu demonstrieren.

Warum stellen deutsche Politiker amerikanische Nuklearwaffen zur Disposition? Um sich mit fremden Federn als Abrüstungs-Champion zu feiern? Jüngst wurde anlässlich des Verzichts auf das „Bombodrom“ gefordert, dass Übungen der Luftwaffe vom deutschen Standort Nordhorn in Niedersachsen in dünn besiedelte Gegenden „anderer Länder“ verlagert werden sollten – nämlich nach Alaska. Verlangen wir nicht allmählich zu viel von Amerika?

Wenn das neue Start-Abkommen ratifiziert ist, sollten taktische Nuklearwaffen in einem weiteren Abrüstungsvertrag erfasst werden, schon um mehr Transparenz auf russischer Seite herzustellen. Aufgrund seiner konventionellen Schwäche wird Moskau in diesem Bereich nicht zu einer Nulllösung bereit sein. Das Ziel könnten daher niedrigere Obergrenzen sein – verbunden mit einer Wiederaufnahme von Verhandlungen zur konventionellen Rüstungskontrolle. Entsprechende Reduzierungen auf beiden Seiten könnten dann zu einem Abzug amerikanischer Nuklearwaffen auch aus Deutschland führen. Derzeit aber (noch) nicht.

Der Autor arbeitet bei der

Stiftung Wissenschaft und Politik.

Michael Paul

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