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Positiver Troika-Bericht: Lasst Griechenland nicht allein!

Griechenland steht vor dem gesellschaftspolitischen Kollaps. Und der muss verhindert werden. Dass deswegen noch einmal 32,5 Milliarden Euro an Hilfsgeldern freigegeben werden sollen, ist richtig, meint Gerd Appenzeller.

"Im Grundton positiv" – diese diplomatische Einstufung des Troika-Berichtes der Gläubiger zum Stand der griechischen Reformen beschreibt die Lage des Mittelmeerlandes erfreulicher, als sie tatsächlich ist. Aber bei der überfälligen Zwischenbilanz der Fachleute ging es nicht nur um die Fakten, sondern auch weit mehr um Symbolisches. Der Mittelmeerstaat steht vor einem innen- und gesellschaftspolitischen Kollaps. Den zu verhindern, gebietet das Verantwortungsgefühl gegenüber den Griechen. Auch das rechtfertigt weitere, längere Hilfe.

Ohne weitreichende Reformen war Griechenland nicht zu retten. Die Einschnitte ins soziale Netz trafen, wie fast immer bei Restrukturierungen, nicht die Wohlhabenden, sondern vor allem die Mittelschicht und die abhängig Beschäftigten. Der Regierung in Athen ist bisher auch nichts eingefallen, die Kapitalflucht und die Steuerhinterziehungen der Reichen einzudämmen. Für Internationalen Währungsfonds, Europäische Zentralbank und Europäische Union ging es bei ihrer Momentaufnahme also darum, der griechischen Bevölkerung und der Regierung zu signalisieren: Wir haben Respekt vor dem, was von euch bislang geleistet wurde, macht weiter so. Diese Momentaufnahme ist Voraussetzung dafür, dass die nächste Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro freigegeben wird. Dass es geschieht, ist richtig.

Die vom IWF, der EZB und der EU geforderten Strukturmaßnahmen sind weiter gehend, als das bislang vom Parlament in Athen Beschlossene und von der Exekutive Umgesetzte. Die Dreistigkeit, mit der die Parlamentsmitarbeiter in der Nacht der Haushaltsdebatte zu verhindern wussten, ihrer Pfründen auch nur teilweise verlustig zu gehen, ist ein Musterbeispiel dafür, wie das Land immer noch von einem Netzwerk der Familien und Besitzstandswahrer ausgeplündert wird. Nun werden die ungelernten Mitarbeiter der Volksvertretung weiter das Dreifache eines Facharztes in einem Krankenhaus verdienen.

Dennoch ist das Land endlich dabei, Anschluss zu finden an das Organisationsniveau anderer Staaten der EU. In der Vergangenheit angestrebt hatte Griechenland ein in mitteleuropäischen Staaten selbstverständliches Maß an ordentlicher und korrekter Verwaltung, an „good governance“, nicht. Das geschah erst unter dem Druck der Kreditgeber. Wenn die Troika Griechenland nun jene zwei Jahre mehr Zeit geben will, die das Land zum Erreichen weiterer Reformziele erbeten hatte, folgt sie auch einer Anregung des IWF. Dessen Präsidentin, Christine Lagarde, hatte vor einem Monat am Vorabend der Jahrestagung von Weltbank und Währungsfonds genau diese Zeitspanne genannt. Es gibt also offenbar objektive Gründe, besser geduldig zu sein.

In Deutschland werden sich aus dem politischen Umfeld von CDU, CSU und FDP Stimmen dagegen melden. Das ist verständlich. Mehr Zeit heißt eben auch mehr Geld. Über den deutschen Beitrag zur Streckung der Zahlungsziele muss der Bundestag vermutlich schon in der nächsten Woche abstimmen. Ohne eine Bewilligung durch die Mehrheit des Hauses kann der deutsche Anteil nicht aufgestockt werden. Bereits bei der letzten Griechenland-Debatte war aus der Koalition die Drohung „Ein drittes Paket wird es nicht geben!“ unüberhörbar. Inzwischen aber reiste die Kanzlerin nach Athen und signalisierte dort, Deutschland werde Griechenland nicht allein lassen. Angela Merkel wird also, um glaubwürdig zu bleiben, selbst im Plenum für ein Ja ihrer Koalition werben müssen.

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