zum Hauptinhalt
Glückwunsch vom Unterlegenen: Hans-Jürgen Scharfenberg (l.) gratuliert dem alten und neuen Potsdamer OB Jann Jakobs.

© dpa

Potsdam: Stasi entschied die Wahl

Auch wenn niemand darüber redete: Der beste Helfer des Siegers Jann Jakobs bei der Potsdamer OB-Wahl war sein Konkurrent Hans-Jürgen Scharfenberg - der frühere Stasi-Mitarbeiter. Ein Kommentar.

Alles andere als ein Sieg des Amtsinhabers Jann Jakobs wäre eine Sensation gewesen, mehr noch: ein Menetekel für Potsdams Entwicklung. Ein früherer Stasi-Mitarbeiter als erster Oberbürgermeister einer deutschen Landeshauptstadt, gewählt am Tag der Deutschen Einheit, das wäre mehr als historische Ironie. Am Ende sind es zehntausend Stimmen Vorsprung geworden, nicht mehr nur 122 Stimmen wie vor acht Jahren. Doch die Mehrheit wählte vor allem einen sonnigen Oktobertag: Die niedrige Wahlbeteiligung ist ein Hinweis, dass der Amtsinhaber nur einen Teil der Wähler wirklich überzeugte. Jakobs bester Wahlhelfer war sein Konkurrent Hans-Jürgen Scharfenberg. Auch wenn dessen Stasi-Historie von der SPD nicht angesprochen wurde, entwickelte das Thema eine polarisierende Kraft, die wahlentscheidend war.

Als strahlender Sieger aber darf sich Jakobs nicht fühlen. Brandenburgs Hauptstadt hat sich seit 2002 zur ostdeutschen Boomtown entwickelt, zur strahlenden Preußen-Metropole mit rapide wachsender Bevölkerung und geringer Arbeitslosigkeit. Die Kehrseite des Erfolgs aber bekam Jakobs nur unzureichend in den Griff: Das Zentrum wird herausgeputzt, doch die Menschen in den Plattenbau-Bezirken fühlen sich abgehängt. Steigende Mieten und fehlende Kitaplätze sind der Preis in einer Stadt, die zum begehrten Wohnort von Prominenz und Bürgertum geworden ist.

Die Wahl hat auch gezeigt, dass Potsdam eine rot-rote Stadt ist; trotz des Zuzugs von über 22 000 Wählern seit 2002 sind bürgerliche Parteien ohne Fundament – CDU, FDP und Grüne blieben im ersten Wahlgang zusammen unter 20 Prozent. Ungeachtet von Fehlern und umstrittener Entscheidungen, etwa beim Dauerstreit um die Uferwege an Griebnitzsee oder Groß Glienicker See, und einer selbstherrlich und undurchsichtig agierenden Verwaltung haben die bürgerlichen Wähler für Jakobs gestimmt – mancher vielleicht, weil es keine Alternative gab. Die umstrittene Baugenehmigung für einen Bootsanleger am Jungfernsee zeigte, dass Jakobs nur unzureichend über die Planung seiner Bürokraten informiert ist. Er geht deshalb mit einer Hypothek in die zweite Amtszeit. Er muss die Verwaltung transparenter machen und soziale Spannungen entschärfen. Und wenn es nicht gelingt, Konflikte wie mit dem sich schikaniert fühlenden Mäzen Hasso Plattner zu befrieden, könnte Potsdams Strahlkraft auch ohne einen Bürgermeister Scharfenberg ziemlich leiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false