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Präsident Obama: Auf seine Verantwortung

Ein Tag, der die Welt verändert: Minderheiten überall werden sich durch Barack Obama ermutigt fühlen. Für den neuen Präsidenten beginnt eine Reise, wie sie wenigen vorbehalten ist. Sie wird auch ihn verändern. Demut ist ein guter Begleiter, und das stete Gefühl der Verantwortlichkeit.

Was für ein Tag! Einer, der die Welt verändert, so oder so. Zu hoch gegriffen? Aber nein. Alleine schon die Tatsache, dass ein schwarzer Amerikaner die mächtigste Nation der Erde führt – und das ist sie bei allen Schwächen immer noch –, hat weltumspannend ihre Auswirkungen. Minderheiten überall werden sich ermutigt fühlen. Sie können es schaffen, wenn sie nur wollen, wenn sie an ihre Chance glauben. Die Kraft zur Veränderung sucht sich ihre Gelegenheit.

Drum fühle dich verantwortlich – das ist Barack Obama. Verantwortlich sein, für sein eigenes Leben, sein eigenes Streben, im Ganzen und für das Ganze. Er ist die Botschaft, und das ist das verführerische an ihm; messianisch an ihm ist, dass er es weiß und sich dessen bedient. Möge die Verführung seiner selbst nicht zu weit führen.

Obamas Waffe sind die Worte, einem Prediger gleich, einem Martin Luther King abgeschaut. Er weiß sie zu wählen, nur ist es manchmal so gewählt, dass Obama Gefahr läuft, die Massen hinter sich zu lassen. Ihm zu folgen ist dann nicht einfach, wenn sich nicht gleichsam von selbst erklärt, wohin es gehen soll. Vor der großen Antrittsrede hat er sich viel mitgeteilt, vielen – und zu viel. Er hat so vieles versprochen, dass es einmal schwierig sein wird, die Ergebnisse im Einzelnen nachzuvollziehen, aber für ihn auch die Gefahr des Scheiterns beinhaltet. Denn verbreitet sich nach der Euphorie der Millionen die Ernüchterung, wird es nicht in einem Jahr gelungen sein, die 4,1 Millionen Jobs zu schaffen, die er versprochen hat, so kann eine Abwendung die Folge sein; und sie würde dramatischer denn je, weil sich ihm so derartig viele zugewandt haben. Obama als Projektionsfläche, und alle erheben Anspruch auf ihn.

Verantwortlich sein soll jeder, kann jeder, wie man an ihm sieht – in beiderlei Hinsicht allerdings. Wer sein Leben in beide Hände nimmt, der kann vorankommen, das ist richtig. Aber das heißt dann auch, das Ethos der Verantwortung zur Pflicht zu erheben. Reden darüber ist die Kür. Gekürt ist er. Nun wird er an seinen Worten gemessen, Obama, stellvertretend für alle, die sich Hoffnung machen, und von denen, die ihre Hoffnungen auf ihn übertragen haben. Das wird ihn einsamer machen, als er es jetzt, nach diesem Strom an Zuneigung, nach diesem Bad in den Mengen gewöhnt ist. Die Härten des Alltags, die Hermetik des politischen Handelns auf schwindelerregender Höhe, werden erst zeigen, ob er genügend Atem für die Aufgabe hat.

Freiheit war das Wort, das George Walker Bush für sich entdeckt hatte. Es sollte sein politischer Kompass sein. Barack Hussein Obama hat, so widersinnig es klingt, durch Bush, der stur nach seinem Kompass verfuhr, eine bisher nie gekannte Freiheit zum Handeln. Sei es durch Abgrenzung, sei es durch kluge Überprüfung dessen, was taugt. Bush mit seinem Wertewahlkampf hat die Amerikaner erst aufnahmebereit gemacht für einen Obama und seinen Wahlkampf im hohen moralisch-ethischen Ton. Dazu ohne sarkastische Erwiderung die Linie von Abraham Lincoln bis zu Martin Luther King ziehen zu können zeigt, wie sehr sich Amerika verändert hat. Das Land, in dem der Pragmatismus geheiligt wurde, fühlt sich mehr denn je als „God’s Own Country“. Die Warnung vor dem Fall kam im Falle Bush zu spät; die Warnung vor Hybris angesichts einer Inauguration, die es so in ihrer durchaus monarchistisch anmutenden Geschichte noch nicht gab, versteht sich da von selbst.

Hail To The Chief, der Commander der Supermacht wird alles sein dürfen, er darf nur keiner sein wollen, der militärische Gewalt monopolisiert und politische Macht zentralisiert. Am Bild vom guten Tyrannen haben sich schon manche verhoben. Obama muss jetzt so christlich sein, wie er sich gibt: Bedenke, dass du sterblich bist. Und nimm dich nicht so wichtig.

Ein erster Tag, an dem eine Reise beginnt, wie sie wenigen vorbehalten ist. Sie wird ihn verändern, das Land, die Welt. Demut ist ein guter Begleiter, und das stete Gefühl der Verantwortlichkeit. Für die Gesellschaft und nicht zuletzt für sich.

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