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Meinung: Predigen kann er auch

Von Stephan Haselberger

Ob Gerhard Schröder und Franz Müntefering da oben auf dem Karlsruher Parteitagspodium wohl ins Grübeln gekommen sind? Oder die designierte Kanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin? Grund genug dafür hätten sie gehabt, der scheidende Kanzler, der künftige Vizekanzler und die christdemokratische Regierungschefin in spe. Denn eine Rede, wie sie Münteferings Nachfolger im Amt des SPD-Vorsitzenden, Matthias Platzeck, auf diesem Parteitag gehalten hat – so eine Rede haben weder Schröder und Müntefering, noch die damalige Oppositionsführerin in sieben Jahren rot-grüner Regentschaft zu Stande gebracht, obwohl sie dringend geboten gewesen wäre. Es reicht eben nicht aus, wenn man Regierungshandeln vor allem mit dem Satz begründet: „Es gibt keine Alternative.“

Dass Reformpolitik zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht in einen Sinnzusammenhang gestellt wird, der klare Prioritäten erkennen lässt und auch emotional berührt – das zeigt das Beispiel des Basta-Kanzlers Schröder. Der hielt seine Regierungserklärung zur Agenda 2010 – nach eigener Darstellung immerhin die größte Sozialreform in der Geschichte der Republik – im Tonfall eines Betriebsprüfers. Danach meinte er cool, er könne halt kein Pathos.

Platzeck hat aus diesem Fehler gelernt. Der zehnte Vorsitzende der SPD kann Pathos, und setzt es auch ein. Das kann der SPD nur gut tun. Die Partei braucht eine Projektionsfläche für ihre Hoffnungen und einen Kompass beim Umbau des Sozialstaats, da geht es ihr nicht anders als den Bürgern. Beide Bedürfnisse hat Platzeck in Karlsruhe bedient. Die SPD, wie er sie sich vorstellt, definiert sich als Bildungspartei, weil nur Bildung wirtschaftlichen Erfolg und soziale Gerechtigkeit garantieren kann. Diese SPD lebt eine Kultur des Miteinanders, weil Reformen nur gelingen können, wenn sie von vielen getragen werden. Mehr Vertrauen wagen – Platzeck mag passagenweise wie eine Prediger geklungen und das Konkrete gescheut haben. Aber sollte es ihm gelingen, dass Reformen in diesem Land auch von den Betroffenen als notwendig, gerecht und nicht als Zumutung empfunden werden, hat die SPD in Karlsruhe eine gute Wahl getroffen.

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