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Für die Bundeswehr gibt es in Afghanistan militärisch nichts zu gewinnen.

© dapd

Prekäre Sicherheitslage: Afghanistan-Mandat: Kein Ende in Sicht

Die Bundesregierung will nach zehn Jahren Bundeswehreinsatz in Afghanistan den Eindruck vermitteln, dass die Mission dort erfüllt sei. Das klingt naiv, denn die Sicherheitslage ist prekär. Bleibt der Koalition nur Zweckoptimismus, der an Volksverdummung grenzt?

Von Michael Schmidt

Es ist vollbracht. Die Mission ist erfüllt. Mag auch nicht alles erreicht sein, was sich die internationale Gemeinschaft vorgenommen hat: Afghanistan, dieser staubige, sandige Fleck am Hindukusch, auf dessen Boden einst nicht viel mehr gedieh als Schlafmohn und Terror, ist auf einem guten Weg. Das jedenfalls möchte man uns glauben machen. Das ist der Tenor der regierungsamtlichen Bilanz nach mehr als zehn Jahren Bundeswehreinsatz. Das ist die Botschaft, die ausgehen soll vom neuen Afghanistan-Mandat: Die Bundeswehr hat ihre Schuldigkeit getan, die Bundeswehr kann gehen.

Unwillkürlich fragt man sich, was das ist: nur naiv, geleitet vom Wunsch, es möge so sein? Professionelles Regierungsmarketing? Oder ein Zweckoptimismus, der an Volksverdummung grenzt?

Man muss nicht so weit gehen, nichts für gut und alles für schlecht zu halten, was seit 2001 versucht wurde. Dennoch gilt: Von guter Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit kann keine Rede sein. Der Westen hat es mit einer durch und durch korrupten Führungsclique in Kabul zu tun. Die staatliche Kontrolle reicht über die Grenzen der Hauptstadt kaum hinaus. Entsprechend schlecht steht es um die wirtschaftlichen Perspektiven, um Menschen- und Frauenrechte im Rest des Riesenlandes, wo andere das Sagen haben: Warlords, Kriminelle, Taliban.

Die Sicherheitslage bleibt deshalb prekär. Nach dem blutigsten und längsten Einsatz deutscher Soldaten seit dem zweiten Weltkrieg mit bisher 52 Gefallenen ist die Situation von einer Entscheidung weiter entfernt denn je. Vier große Kriege hat es in Afghanistan bisher gegeben. Und alle endeten mit einer Niederlage der Invasoren. Das Land genießt, historisch begründet, den Ruf eines Friedhofs der Supermächte. Die Frage stellt sich, ob die Internationale Schutztruppe womöglich gerade dabei ist, in Afghanistan, wenn nicht sich ihr Grab zu schaufeln, so doch an den kulturellen Beharrungskräften zu scheitern.

Der Westen weiß um die Gefahr. Darum sollen afghanische Sicherheitskräfte mehr und mehr die Operationen vor Ort leiten und den Kampf gegen die Taliban übernehmen. So ist es vereinbart, geplant, gewünscht. So geschieht es auch. Dennoch bleibt festzuhalten: Erst führte der Westen den Krieg allzu halbherzig, was den Einsatz zu einer jahrelangen Hängepartie ohne Gewinner machte. Jetzt verlässt er beinahe fluchtartig das Land, ohne seine Ziele erreicht zu haben, Demokratie und eine dauerhaft vom Einfluss des Taliban-Furors befreite Gesellschaft.

Deutschland tappt in eine Falle, die sich der Westen selbst gestellt hat. Einer kriegsmüden Wählerschaft hat man den baldigen Abzug versprochen – dem Land am Hindukusch zugleich Hilfe über das Jahr 2014 hinaus zugesagt. Was immer in den Hauptstädten des Westens in den vergangenen elf Jahren beschlossen, revidiert und kassiert wurde: Mit den Notwendigkeiten in Afghanistan hatte das zumeist wenig, umso mehr aber mit den Befindlichkeiten daheim zu tun.

Jetzt, da immer mehr politisch Verantwortlichen klar wird, dass es militärisch – außer Zeit für Verhandlungen – nichts zu gewinnen gibt, hängt alles vom innerafghanischen Versöhnungs- und Friedensprozess ab. Das ist schlecht. Denn der eine Talib will reden, der andere nicht. Und dem einflussreichen Nachbarn Pakistan passt die ganze Richtung nicht. Mit anderen Worten: Egal wie hoffnungsfroh sich die Bundesregierung äußert – einen Anlass zu Optimismus gibt es nicht. Ein Ende des deutschen Afghanistan-Engagements ist nicht in Sicht.

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