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Proteste: Der Iran wird sich selbst befreien

Ahmadinedschads Brutalität gegen die Opposition hat das Regime geschwächt. Der Westen tut sich unterdessen schwer mit angemessenen Reaktionen.

Wenn sich die Außenminister der 28 EU-Staaten heute auf Korfu treffen, um über „die jüngsten Entwicklungen nach den Wahlen im Iran“ zu sprechen, haben sie wenig Erfreuliches zu bereden. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist ein Wahlbetrüger wie Robert Mugabe in Zimbabwe. Die Opposition im Iran wird von brutalen Rollkommandos verfolgt, die Wohnungen verwüsten und Unschuldige verprügeln, foltern und ohne Gerichtsverfahren in Haft halten. Bei den tagelangen Protesten gegen die manipulierte Wahl sind mindestens 17 Menschen erschossen worden. Wie gehen demokratische Länder, wie geht der Westen mit einem solchen Terrorstaat um?

Barack Obama und Angela Merkel haben das Geschehen im Iran am Abend mit aller Deutlichkeit verurteilt. Andere tun sich schwerer. Das zeigen die vorsichtigen Signale der G 8, der größten Industrienationen. Die sind „besorgt“, betonen aber auf Druck des nicht übermäßig demokratischen Russland „die volle Achtung der iranischen Souveränität“, als sei diese infrage gestellt oder gar ein Freibrief zur Drangsalierung der eigenen Bevölkerung.

Von den Außenministern der Europäischen Union muss man da an diesem Sonnabend eine deutlichere Sprache erhoffen. Die Diktion aber ist das eine. Das andere ist das Handeln. Und da macht es schon nachdenklich, dass keiner der international relevanten Politiker eine scharfe diplomatische Kursänderung gegenüber dem Iran oder gar einen weitreichenden Handelsboykott befürwortet – wofür es zwei Erklärungen gibt.

Die eine ist die Erkenntnis, dass politische und ökonomische Sanktionen gegen ein rohstoffreiches Land dieser Größe kaum zu einer Kursänderung führen. Wer die Gespräche über das Atomprogramm abbricht, erfährt überhaupt nichts mehr und verzichtet auf jede Einflussnahme. Bricht der Westen, bricht die demokratische Welt wegen der Betrügereien gegen den Volkswillen den Kontakt zur iranischen Regierung ab, schwächt er automatisch die Opposition im Lande. Ahmadinedschads Gefolgsleute würden dann nämlich ihre Opponenten, allen voran Mir-Hossein Mussawi, nicht nur für die ökonomischen Folgen verantwortlich machen, sondern sie als Mitwisser der Teufel in Washington, London und Berlin abstempeln. Und ein Handelsboykott trifft ohnedies immer die Falschen. Zwar soll das Regime mithilfe der von Nokia / Siemens gelieferten Software das Internet ausspioniert oder lahmgelegt haben. Aber ohne die westliche Kommunikationstechnologie hätte sich die Opposition überhaupt nicht organisieren können.

Auf den entscheidenden Punkt hat jetzt der frühere Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, im „Handelsblatt“ hingewiesen. Die einstige Akzeptanz Ahmadinedschads ist weitgehend zusammengebrochen. Er ist nicht mehr der Rächer der Enterbten, das Regime hat seine historische Legitimation verloren und kann sich nur noch mit Gewalt an der Macht halten. Über kurz oder lang bricht es, innerlich ausgehöhlt, zusammen.

Gerd Appenzeller

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