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Prothesenskandal: Der Arzt hat es in der Hand

Der Einbau falscher Prothesen kann für Patienten zur Qual werden - für die Klinik ist er ein GAU. Wer ist schuld an dem offenbar banalen Fehler?

Was im Hedwig-Krankenhaus in Berlin-Mitte allem Anschein nach passiert ist, könnte den Stoff für eine Medizinsatire der gröberen Art liefern: Kniegelenkprothesen werden von einem des Englischen offenbar völlig unkundigen Mitarbeiter in ein falsches Regal einsortiert; Prothesen für einen Einbau mit Zement wandern in die Schublade mit der Aufschrift „zementfrei“. Ein banaler Fehler, der sich beim kundigen Blick auf das Produkt leicht korrigieren lässt. Denn beide sehen unterschiedlich aus.

Der OP-Schwester, spätestens aber dem Chirurgen hätte der Fehler auffallen müssen – beim ersten, spätestens beim zweiten Falscheinbau. Im Hedwig-Krankenhaus passierte es 47 Mal. Die falsch eingebauten Prothesen können sich lockern, weil der Zement fehlt – eine Qual für die Patienten und für die Klinik ein GAU.

Leider kommt es noch dicker. Mit fadenscheinigen Argumenten versucht die Krankenhausleitung, die Schuld auf den Hersteller der Prothesen abzuschieben. Soll der vielleicht Englischkurse für die Mitarbeiter der Klinik anbieten? Ein peinlicher Gedanke für ein Lehrkrankenhaus der Charité.

Der Fall ist klar. Die entscheidende Verantwortung für den falschen Einbau trägt der operierende Chirurg und mit ihm die Klinik, niemand sonst. Der Operateur muss das Produkt kennen, das er verwendet. Er hat es in der Hand.

Anders sieht es aus, wenn sich künstliche Gelenke im Nachhinein als Fehlkonstruktionen erweisen, wie die von der Klinik ebenfalls eingebauten Hüftgelenke der Firma Falcon Medical. Daran ist das Krankenhaus unschuldig. Aber die Kniegelenke von Smith & Nephew sind hervorragend. Vorausgesetzt, man setzt sie richtig ein.

Das Krankenhaus sollte den Ursachen des schweren Fehlers auf den Grund gehen und aufhören, andere zu bezichtigen. Auch deshalb, weil die Klinik bislang einen guten Ruf hatte und ihre Mitarbeiter Besseres verdient haben.

Nicht besonders gut sieht auch der Senat aus. Gesundheitsstaatssekretär Benjamin Hoff bescheinigt der Klinik schnelles und unbürokratisches Handeln und fordert so populistisch wie folgenlos ein „Schnellwarnsystem“ für fehlerhafte Medizinprodukte. Das gibt es längst. Aber das beste Warnsystem hilft nichts, wenn man ein Produkt falsch verwendet. Siehe oben.

Trotzdem könnte die Politik etwas tun, nämlich den Weg für ein Prothesenregister ebnen. Klingt wie ein bürokratisches Monstrum, ist aber sehr sinnvoll. Denn ein Register ermöglicht die langfristige Kontrolle von Prothesen und dokumentiert, wie gut ein Produkt funktioniert und wie erfolgreich ein Krankenhaus behandelt. Die bisher erhobenen Daten zur Qualitätssicherung erstrecken sich dagegen nur auf den kurzen Zeitraum der Krankenhausbehandlung.

Jedes Jahr werden bei uns Hunderttausende künstlicher Gelenke eingesetzt, die Vielfalt der Systeme ist unüberschaubar. Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

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