zum Hauptinhalt

Putin, der Westen und die Krim: Appeasement hilft nicht weiter

Die EU und die USA haben Putin falsch eingeschätzt und unzureichend auf die Besetzung der Krim reagiert. Während Russland Machtpolitik betreibt, sagt der Westen: Aber bitte, so geht das doch nicht.

Politiker und Experten im Westen können es noch immer nicht recht glauben. Tagelang war zu hören und zu lesen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin am Ende nicht militärisch auf der Krim eingreifen würde.

Dabei war das, was auf der Krim passiert ist, eine gezielte Eskalation in Zeitlupe. Selten war der Begriff Kriegserklärung zutreffender. Erst wird das Regionalparlament besetzt, dann wählen die Abgeordneten überraschend einen neuen Premier. Einen Tag später tauchen Männer in Uniformen ohne Hoheitszeichen auf und bringen zwei Flughäfen unter ihre Kontrolle. Der Luftraum wird gesperrt, zugleich landen Militärflugzeuge mit tausenden Soldaten. Dann ruft der neue Premier der Krim Russland um Hilfe – und Präsident Wladimir Putin lässt sich sofort grünes Licht für einen Militäreinsatz gegen die Ukraine geben.

Provokation mit Ansage

Das Ganze ist eine Provokation mit Ansage, mehr noch: der Versuch, der Gegenseite die Schuld an der Eskalation zu geben. Denn sollten ukrainische Sicherheitskräfte die besetzten Gebäude räumen, hätte Moskau einen Vorwand, zum „Schutz“ der Russen auf der Krim einzugreifen. Und wenn niemand eingreifen sollte, fiele die Krim auch an Russland. Aus Putins Sicht geht er in jedem Fall als Sieger aus der Krise hervor.

Das schrittweise Vorgehen lässt sich auch als Versuch lesen, die Reaktion des Westens zu testen. Die hätte für Putin besser kaum ausfallen können: Als bekannt wurde, dass zahlreiche weitere russische Soldaten auf der Krim gelandet sind, überlegte man in den westlichen Hauptstädten noch, wie man das, was dort passiert sei, eigentlich nennen sollte.

Über das Abkommen hinaus

Natürlich dürfen sich russische Truppen gemäß einem Vertrag mit der Ukraine über die Schwarzmeerflotte auf der Krim aufhalten. Doch die jetzige Intervention geht weit über das hinaus, was das Abkommen erlaubt. Eine Besetzung ist dies in jedem Fall. Und eine Bedrohung der russischsprachigen Bevölkerung durch ukrainische Nationalisten ging der Intervention nicht voraus.

Doch in den offiziellen Erklärungen aus dem Westen wimmelte es von Konjunktiven. Wie üblich drückte man Besorgnis aus oder warnte, wie etwa der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, vor einer möglichen Eskalation. Dabei ist die Eskalation längst da. Steinmeier und seine EU-Amtskollegen treffen sich zur Krisensitzung, die aber erst an diesem Montag stattfindet. Die USA drohten derweil damit, dass Obama nicht am G-8-Gipfel in Sotschi im Juni teilnehmen würde. Aber ist das wirklich eine angemessene Antwort darauf, dass ein Land Teile des Nachbarlandes besetzt? Während die eine Seite Machtpolitik betreibt, sagt die andere: Aber bitte, das gehört sich doch nicht.

Eigene Logik

Die Krise um die Besetzung der Krim zeigt auch, dass Putin noch immer, nach 14 Jahren an der Spitze Russlands, in Europa falsch eingeschätzt wird. Er folgt nicht derselben Logik wie seine Amtskollegen im Westen. Leise Töne legt er nicht als Zeichen von diplomatischem Geschick aus, sondern als Schwäche. Geopolitik (besonders in einem Gebiet, das er als russische Einflusssphäre betrachtet) ist ihm wichtiger als sein Image im Westen.

Was sollen die EU und die USA nun tun? Sie könnten Putin zumindest deutlich machen, dass sein Vorgehen in der Ukraine nicht ohne Folgen bleiben kann und dies russischen Interessen schadet. Statt der Absage eines einzelnen Gipfelbesuchs wäre schon eher die Rückkehr zum G-7-Format eine angemessene Antwort.

Es geht um mehr als die Krim

Na ja, wird man nun in mehreren europäischen Hauptstädten sagen, es ist doch nur die Krim, wo die russischsprachige Bevölkerung ohnehin in der Mehrheit ist, und Moskau hat dort besondere strategische Interessen. Müsste man nicht, so eine verbreitete Argumentation, Verständnis für Russlands Position haben?

Wer glaubt, mit Appeasement weiterzukommen, täuscht sich ein weiteres Mal. Denn Putin geht es nicht nur um die Krim. In einem Telefongespräch mit Obama kündigte er an, Moskau werde die russischsprachige Bevölkerung „in der Ostukraine und auf der Krim“ schützen. Wir sollten endlich aufhören, Putin zu unterschätzen.

Zur Startseite