zum Hauptinhalt

Meinung: Putins Kellner

Von Christoph von Marschall

Kanzler Schröders Umgang mit der Ukraine wird allmählich irritierend. Gestern vermeldete sein Sprecher als Erfolg, Schröder habe mit Freund Putin telefoniert; der sei nun bereit, das unverfälschte Resultat einer Neuwahl zu respektieren. Wenn das eine löbliche Neuigkeit ist, heißt das im Umkehrschluss, Putin war bisher aus Schröders Sicht nicht dazu bereit. Was die persönliche Nähe der beiden umso verwunderlicher erscheinen lässt.

Schröder rechnet mit Verständnis für das, was er als Realpolitik versteht: Deutschland hängt an Russlands Gas und Öl, die Wirtschaft hofft auf Geschäfte, und Putin hilft beim Ausbalancieren der amerikanischen Supermacht. Aber im Fall Ukraine ist der behauptete Gegensatz von Macht und Moral künstlich. Erstens verlangt niemand eine Freiheitsromantik, die im Dienste eines Ideals potenzielle Nachteile ignoriert, sondern nur die Treue zu unveräußerlichen Werten. Zweitens hat Schröder selbst erfahren, wie lange mangelnde Sympathie für legitime Freiheitsbewegungen nachwirkt – ganz realpolitisch. 1981, als Polens Kommunisten die SolidarnoscBewegung im Kriegsrecht erstickten, war SPD-Kanzler Schmidt bei Honecker am Werbellinsee und äußerte Verständnis. Schröder hat es noch rund 20 Jahre später zu spüren bekommen, wie sehr die Polen der SPD diesen Verrat an westlichen Werten verübelt haben. Auch in der Ukraine wird man sich erinnern, wessen Nähe die Bundesregierung suchte, als das Schicksal des Landes auf der Kippe stand.

Rot-Grün hat eine Außenpolitik versprochen, die Moral und Macht versöhnt. Vergisst der Kanzler das, dürfen die Grünen nicht schweigen. Oder gilt das Bild von Koch und Kellner heute für die Russlandpolitik? Was Putin kocht, richtet Schröder an.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false