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Meinung: Rache der Kleinen

Die Grünen stimmen dem Koalitionsvertrag zu – und wählen vielleicht ihre Führung ab

Die Grünen wollen regieren. Davon werden sie sich auch auf ihrem Parteitag in Bremen nicht abbringen lassen. Aber Begeisterung über die Neuauflage der rot-grünen Koalition kommt bestimmt nicht auf. Die SPD hat sie ganz schön gerupft. Mit ihren Sparvorschlägen, die als Beitrag zur ökologischen oder sozialen Modernisierung getaugt hätten, sind sie gescheitert. Weder gibt es Änderungen beim Ehegattensplitting noch bei der Entfernungspauschale. Von den Kohlesubventionen gar nicht zu reden. Selbst kleine Erfolge haben sie bisher schamhaft verschwiegen. Etwa die Änderung der Eigenheimzulage: Damit wird gespart, und es werden weniger Häuser im Grünen gefördert. Damit wird auch die Flächenversiegelung gebremst. Aber viel zu feiern gibt es nicht.

Besser sieht es bei der Ressortaufteilung aus. Sowohl Joschka Fischer, der den Streit um die Europakompetenz klar für sich entschieden hat, als auch Jürgen Trittin und Renate Künast können zufrieden sein. Vor allem Künast ist durch das neu ausgehandelte Initiativrecht in Verbraucherfragen im Kabinett gestärkt. Mit Künast profitiert die neue Generation der Grünen. Die Berlinerin steht für einen pragmatischen, modernen Politikstil, der auch die beiden neuen Chefinnen der Bundestagsfraktion auszeichnet.

Im Gegensatz zur SPD, die sich mit Manfred Stolpe für den alten Osten entschieden hat, haben die Grünen eine neue Stimme des Ostens gewählt. Nicht Werner Schulz, der verdiente Bürgerrechtler, sondern Katrin Göring-Eckardt mit ihrer Nach-Wende-Biografie ist zum Zug gekommen. Göring-Eckardt und Sager zeichnet ein unaufgeregter Machtwille aus. Die starken grünen Frauen sind auf dem besten Weg, ein Eigengewicht gegenüber Joschka Fischer, dem unumschränkten Chef, zu entwickeln. Kein Gegengewicht. Denn sie haben nicht vor, den beliebtesten Minister zu bekämpfen.

Die Frage ist, ob das der grünen Basis reicht. Denn mit der Entscheidung für eine noch längere Laufzeit für das Atomkraftwerk Obrigheim hat sie in Bremen eine Riesenkröte zu schlucken. Der Meiler hat großen Symbolwert für die Grünen, nicht nur in Baden-Württemberg. Aber auch für seinen Betreiber, die Energie Baden-Württemberg. Ohne Sonderregelung für Obrigheim hätte EnBW-Chef Gerhard Goll den Atomkonsens boykottiert, dann wäre es mit dem Ausstieg aus der Technologie gar nichts geworden. Trotzdem haben selbst die Grünen in Baden-Württemberg bereits signalisiert, dass sie die Koalition an dieser Frage nicht platzen lassen wollen.

Vermutlich wird der grüne Parteitag mit einer gigantischen Mehrheit beschließen, dass der Umweltminister noch einmal nachverhandeln soll. Ein emotional irgendwie erleichternder, aber auch sinnloser Antrag. Der Zug ist bereits abgefahren. Es gibt nichts nachzuverhandeln. Und weil die Basis das natürlich weiß, werden die Delegierten vielleicht – zum Ausgleich – ihre beiden Vorsitzenden Fritz Kuhn und Claudia Roth zum Rücktritt zwingen. Sie könnten eine Satzungsänderung scheitern lassen, die es den beiden ermöglichen würde, ihr Bundestagsmandat und den Parteivorsitz gleichzeitig wahrzunehmen. Wenn sich die Basis wirklich auf diese Weise für Obrigheim rächt, haben die Grünen ein echtes Problem. Ersatz steht nicht bereit, denn darauf haben sich Fischer und Co. nicht ernsthaft vorbereitet. Dann stünden sie da mit zwei respektablen Fraktionschefinnen – und doch führungslos.

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