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Bei Pippi Langstrumpf war früher vom "Negerkönig" die Rede. Der Verlag änderte das nachträglich in "Südseekönig".

© contrasto/laif

Rassismus in Kinderbüchern: Verbale Salzsäure

Natürlich gibt es wichtigere Probleme als den Gebrauch rassistischer Wörter in Kinderbüchern. Doch die aktuelle Diskussion ist wertvoll, weil sie uns einen Spiegel vorhält, meint unsere Autorin.

Literarische und kulturelle Themen setzen uns Deutsche, anders als Franzosen, selten unter Strom. Doch plötzlich hat es auch bei uns gefunkt: Es wird leidenschaftlich gestritten, ob es nötig sei, Kinderbücher generell einer Vorurteils-Wäsche zu unterziehen, um diskriminierende Wörter wie beispielsweise „Neger“ zu ersetzen, wie es schon vor einigen Jahren beim Kinder-Klassiker Pippi Langstrumpf (Astrid Lindgren) geschah, als das Wort „Negerkönig“ durch „Südseekönig“ ausgetauscht wurde. Nun soll es auch einen Ersatz für „Negerlein“" im Buch Die kleine Hexe (Ottfried Preußler) geben. Der Grund: Solche Bezeichnungen seien herabsetzend; sie könnten jungen Lesern einen kränkenden Sprachgebrauch nahelegen, Stereotype gegen Minderheiten bestätigen oder gar erzeugen. Und was, so fragen sich manche Eltern, sollen wir antworten, wenn unser Kind fragt, warum das Wort „Neger“ jetzt verboten ist, wenn doch Mark Twain es im Roman Huckleberry Finn mehr als zweihundertmal „Nigger“ benutzt hat?

Gibt es eigentlich keine wichtigeren Probleme? Klar gibt es die, doch es gibt auch viel bedeutungslosere. Diese Diskussion ist wertvoll, denn sie hält uns einen Spiegel vor Augen. Darin sehen wir mehr Licht als Schatten. Erfreulich, dass uns bisher Basta-Sätze wie: „Literatur ist unantastbar, was gesagt wurde, bleibt so stehen für die Ewigkeit“ ebenso erspart blieben wie Verbotsandrohungen für Neuauflagen, falls Verlage und Autoren sich Textänderungen verweigern.

Was wir noch sehen können ist, wie selbstverständlich wir noch vor wenigen Jahrzehnten Menschen anderer Hautfarbe oder Ethnie als Exoten dargestellt und bezeichnet haben, als Menschen, die für Folkloristisches taugen, die ganz anders sind als wir. Das war einmal. Deshalb werden jetzt auch keine Zensoren gebraucht, die Texte mit verbaler Salzsäure verätzen wollen. Wie lachhaft wäre das, denn die meisten „anstößigen“ Bücher stehen ohnehin in privaten Bücherschränken. Besser: Geschriebenes kritisch erklären, Nachdrucke ohne Hinweise vermeiden, spüren, was verletzen könnte. So haben wir auch den früher sprichwörtlichen „Kümmeltürken“ aus dem deutschen Alltags-Wortschatz fast vertrieben.

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