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Meinung: Raubritter aus Leverkusen

Bayers Schering-Pläne gefährden den Pharmastandort Berlin – und grenzen an Wortbruch

Es ist kaum ein Jahr her, dass Bayer als „weißer Ritter“ schwungvoll nach Berlin galoppierte, um Schering vor dem bösen Angreifer Merck zu retten. Elf Monate später – die Fusion ist inzwischen vollzogen – wirft der weiße Ritter den schönen Mantel ab und zeigt sein wahres Ich. Zum Vorschein kam ein Raubritter, der womöglich 1000 Stellen streichen und dabei wohl auch den Kern eines jeden Pharmakonzerns, die Forschung und Entwicklung, nicht verschonen will.

Für Berlin wäre das ein Drama: Erst verliert die Stadt mit Schering sein einziges Dax-Unternehmen, dann sind auch noch ein Fünftel der hochqualifizierten Schering-Jobs futsch. Beängstigend ist das nicht nur deshalb, weil die Stadt in den vergangenen Jahren bereits zehntausende industrieller Arbeitsplätze verloren hat. Problematisch ist die Entwiclklung auch deshalb, weil Schering, das nun Bayer Schering Pharma heißt, eine Schlüsselrolle in der reichen Berliner Forschungslandschaft spielt – als Ideengeber, Berater, Geldgeber der zahlreichen Institute, Kliniken und kleineren Biotechfirmen. Dieses wertvolle Beziehungsgeflecht wird empfindlich gestört, wenn sich bestätigen sollte, dass Bayer bei seiner Berliner Tochter mit der Axt aufräumt.

Vor einem Jahr, zu Beginn der Übernahmeschlacht, hatte alles noch viel besser geklungen. Bayer-Chef Werner Wenning hatte dem Schering-Management damals in die Hand versprochen, den Forschungsstandort Berlin zu erhalten – und sich damit das nötige Wohlwollen, auch in der Politik, gesichert, das Merck versagt blieb. Für den erfolgreichen Abschluss der Übernahme war das eine wichtige Voraussetzung.

Wenige Monate später hatte Wenning, was er wollte: einen florierenden Pharmakonzern mit starken Medikamenten, die noch auf Jahre hohe Umsätze garantieren. Doch an seine Versprechen von damals mag er sich jetzt offenbar nicht mehr erinnern. Oder ist das in Berlin nur falsch verstanden oder etwas zu positiv interpretiert worden?

Von Anfang an hatte Wenning nämlich auch gesagt, dass Bayer durch die Fusion ab 2009 jährlich 700 Millionen Euro einsparen will und deshalb 6000 Jobs streichen würde – ein Zehntel der Jobs in der Gesundheitssparte. Das ist eine ganze Menge. Damit die Pille in Berlin nicht gar so bitter schmeckte, versprach der Bayer-Boss, den Jobabbau „fair und sozialverträglich“ zu regeln.

Doch wenn es stimmt und Bayer tatsächlich 1000 Stellen im Wedding streicht, dann dürfen die Berliner sich zu Recht verraten fühlen. „Fair und sozialverträglich“ wird das in der Masse kaum ablaufen. Am Ende werden viele Scheringianer auf den Fluren der Arbeitsämter landen – oder abwandern. Dass gleichzeitig Berliner Jobs ins Bayer-Werk Leverkusen verlagert werden, mag für den Konzern von Vorteil sein, für die Berliner Beschäftigten und den Standort ist es enttäuschend.

Maren Peters

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