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Rebellische Hauptstadt: Was Berlin zur Rockermetropole macht

Auf Außenstehende wirken die Rituale der Rockerszene äußerst befremdlich. Den Berlinern müsste das aber irgendwie bekannt vorkommen.

Es gibt keine Hippies mehr, keine Gammler, keine Popper, keine Existenzialisten und kaum noch Hare Krishnas, sogar die Punker sind eigentlich nur noch ein nettes Zitat. Die Rocker aber gibt es immer noch. Und wie! Die Rocker sind, wie man es heute wohl ausdrückt, die nachhaltigste Subkultur des 20. Jahrhunderts.

Das englisch klingende Wort „Rocker“ existiert, ähnlich wie das Wort „Handy“, nur im Deutschen. Auf Englisch heißt „Rocker“ nämlich „Bikie“. Weltbekannt wurde die Bikie-Bewegung am 4. Juli 1947, als Hunderte von relativ stark betrunkenen Motorradfahrern bei dem so genannten „Hollister Bash“ die kalifornische Kleinstadt Hollister in Schutt und Asche legten, nun, das wurde damals von den Medien stark übertrieben. Die beiden wichtigsten ideologischen Prinzipien eines Rockers heißen „Dein Bruder bleibt immer dein Bruder“ und „Gott vergibt, wir nicht“. Wer sich diese beiden Sätze merken und eine Bierbüchse öffnen kann, hat eigentlich das Wesentliche begriffen.

Rockerklubs sind wie Vereine organisiert, mit Vorsitzendem, Kassenwart und allem. Eine interessante Besonderheit stellt der „Road Captain“ dar, der bei gemeinsamen Ausflügen immer vorne fährt, ansonsten hat er nicht viel zu bestimmen. Der Road Captain ist sozusagen der Bundespräsident eines Rockerklubs. Alle Führungspositionen werden, weltweit, mit Männern besetzt; von einer Quotendiskussion ist nichts bekannt. In der Rockersprache werden Frauen gern als „Back Warmer“ bezeichnet, also „Rückenwärmer“, weil sie sich auf dem Rücksitz des Motorrades befinden. Sehr wichtig für das Selbstverständnis sind die Aufnäher auf den Jacken, den so genannten „Kutten“. Nur, wer mindestens einen Polizeibeamten mindestens so verprügelt hat, dass der Beamte einen Arzt brauchte, darf zum Beispiel auf der Kutte einen Aufnäher mit dem Wort „Dequiallo“ tragen. Wenigstens dazu sind auch Frauen berechtigt.

Während es in der deutschen Politik immer mehr Parteien gibt, ist bei den Rockerklubs eine gegenteilige Tendenz zu beobachten. Es konzentriert sich alles immer stärker auf die Hells Angels und die Bandidos, quasi die CDU und die SPD des Rockerwesens, traditionsreiche Klubs wie die Iron Horses oder die München Destroyers verschwinden oder werden zu Splittergruppen.

In Berlin ist in letzter Zeit vieles gescheitert, zuletzt auch der Versuch, eine lang vorbereitete Razzia gegen die Hells Angels zu eröffnen. Die Rocker waren vorab informiert. Offenbar gibt es in der Spitze der Polizei Agenten der Hells Angels. Berlin ist und bleibt also beinhart, die Rockermetropole. Egal, was aus dem Flughafen wird oder aus der S-Bahn: Motorräder fahren in Berlin immer. Und dein Bruder bleibt immer dein Bruder.

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