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Pegida in Aktion - die Aufwiegler bei der Arbeit

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Rechte Demos: Runter von der Couch

Von Sorgen und Ängsten der Bürger ist die vermeintlich seelenkundige Rede, wenn es um Anti-Islam-Demos wie "Pegida" geht. Verunsichert ist aber vor allem die Politik, die den Irrsinn nicht als das benennen will, was er ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschäftigt die Deutschen. Demonstrationen gegen „Islamisierung“ haben Zulauf, nervös blickt die gewählte Politik auf den Fransenrand rechts der Mitte. Entgleitet ihr ein Teil des Unterbaus? Der Bundespräsident warnt vor einer „Kultur der Angstmache“, der Innenminister sieht Bürger in Sorge „vor den Herausforderungen unserer Zeit“. Sorgen, die er ernst nehmen möchte, statt dass „Rechtsextreme und andere dubiose Figuren diese zu kapern versuchen“. Zum Beleg wird im selben und im nächsten Atemzug von Flüchtlingen und Asyl gesprochen. Islamisierung = Flüchtlingsproblem. Wir haben verstanden.

Damit es einen unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ („Pegida“) auf die Straße treibt, bedarf es keiner Sorgen. Es genügt eine ordentliche Dosis Fremdenverachtung, der Dünkel jener, die sonst niemanden sehen, wenn sie unter sich blicken. Wenn wir uns schon ins Psychovokabular versteigen, dann ist es eher das Wohlgefühl, zum vermeintlich besseren Teil der Menschheit zu gehören, das den Abendlandmarschierer antreibt. Er steht, anders als Thomas de Maizière beschreibt, nicht vor „Herausforderungen.“ Die einzige wäre, dass diese ihm fehlen.

Das Gerede von Ängsten, Sorgen, Herausforderungen soll die Überwindbarkeit des Zustands suggerieren. Eine vorgeblich seelenkundige Diagnose, die zugleich Heilung verspricht. Und ein merkwürdiger Relativismus eingedenk der Mittel, zu denen Politiker in vergleichbaren Fällen greifen. Gauck zum Beispiel, der mal mit dem Wort „Spinner“ hantierte. Eine Neonazis der harten Sorte verharmlosende Bemerkung, die allerdings gut auf Leute passen würde, die ihr Wohnzimmer mit der Republik und den Fernseher mit der Wirklichkeit verwechseln. Manch Anständiger steht dann sogar auf und stellt sich gegen die Marschierer, einer wie Thüringens neuer Ministerpräsident Bodo Ramelow zum Beispiel, der sich im Streit um Anwaltskosten einer kleinlichen Justiz erwehren muss, die ihn in überzogener Weise als Demo-Störer verfolgt.

Shitstorms und Hashtag-Paraden im Internet haben den Sinn dafür vernebelt, welche Wucht von einer leibhaftigen Versammlung ausgehen kann. Möglicherweise mehr denn je. Weshalb es richtig ist, sie zu schützen und prinzipiell von Störern freizuhalten. Sorgen und Ängste sind aktuell berechtigt, jedoch nicht die der Dresdner Demonstranten, sondern die jener, die fürchten, dass der Irrsinn weiterwuchert. In diesem Zusammenhang lässt sich auch trefflich von Herausforderung sprechen. Für Freudianer alter Schule drängt sich der Eindruck auf, als projizierten die politischen Psychiater ihre eigene Verunsicherung auf die ihrer Klientel. Die Couch ist besetzt, auf die man die „Pegida“-Spinner legen möchte. Zeit, mal aufzustehen.

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