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Der frühere NPD-Funktionär Ralf W. (l. mit Sonnenbrille) 2007 auf einer NPD-Demonstration in Jena. In der Mitte läuft der damalige NPD-Parteichef Udo Voigt.

© dpa

Rechtsextreme NPD: Das Verbotsverfahren bleibt ein Risiko

Nach der Festnahme eines ehemaligen NPD-Funktionärs sind die Chancen auf ein Verbot der rechtesextremen Partei gestiegen. Also auf nach Karlsruhe, je schneller je besser? Nein – je langsamer, desto besser.

Von Robert Birnbaum

Die Politik tut sich oft mit den Entscheidungen am schwersten, die die einfachsten scheinen. Dass zum Beispiel die NPD verboten gehört, darauf können sich in Deutschland alle Menschen guten Willens einigen – was, nebenbei, ein Glück ist. Trotzdem passiert juristisch nichts mehr, seit Regierung und Bundestag sich 2003 vor dem Verfassungsgericht eine blutige Nase geholt haben. Seit damals ist der Ruf nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren zum wohlfeilen Ausweis korrekter Gesinnung für alle geworden, die nichts zu entscheiden haben, während die jeweils Verantwortlichen bedauernd abwinkten: Wir würden ja auch gerne, aber ...

Das Aber war gut begründet. Doch die Begründung verliert an Kraft. Je tiefer die Ermittler gegen die Neonazi-Mörderbande im braunen Sumpf wühlen, desto mehr zeigt sich, was Kenner der Szene lange wissen: Die Grenzen zwischen Schlägern und Schlipsträgern verlaufen fließend; es gibt nicht nur ideologische Nähe. Mit der Verhaftung des früheren NPD-Spitzenmannes Ralf W. als mutmaßlichem Helfershelfer und Mitwisser der Mörder bekommt die Nähe ein Gesicht.

Wenn sich die Vorwürfe beweisen lassen, kann der Fall W. eine ganz neue Beweislage für ein NPD-Verbotsverfahren schaffen – die kämpferisch-aggressive Grundhaltung der Partei gegen den Verfassungsstaat müsste nicht bloß mühsam aus Indizien nachgewiesen werden. Also, auf nach Karlsruhe, je schneller je besser?

Nein – je langsamer, desto besser. Auch für einen politisch unappetitlichen Kerl unter Mordhelfer-Verdacht gilt bis zum Urteil die Unschuldsvermutung. Bis dahin taugt der Fall nicht als Indiz in einem NPD-Verfahren. Genauso wenig räumt er die Bedenken gegen das V-Leute-Wesen aus, an denen das erste Verfahren gescheitert ist. Ein Hauptargument der Verfassungsrichter war nämlich prinzipiell: Es verstößt gegen die Waffengleichheit, dass die Angeklagten nie sicher sein können, ob nicht Spitzel im Sinne ihrer Geldgeber, also der Kläger agieren.

Das ist und bleibt ein starkes Argument, gerade in einem Parteiverbotsverfahren, das ohnehin die Grenzen des Rechtstaats auslotet. Der Preis für einen neuen Anlauf gegen die NPD wird deshalb darin bestehen, alle V-Leute auf der Führungsebene abzuschalten. Noch wehren sich Innenpolitiker gegen diese Konsequenz. Sie warnen vor Gefahren. Die bestehen ohne Zweifel. Die aktuell beliebte Replik, die ganze Spitzelei habe die Morde doch auch nicht verhindert, ist da ein bisschen zu vordergründig.

Trotzdem wird die Regierung, wird das Parlament, werden die Länder an einem neuen Verbotsverfahren gar nicht vorbeikommen. Der Staat hat beim Vorgehen gegen die Mörder unfassbar versagt. Darum darf er beim Vorgehen gegen deren geistige Anstifter nicht den Eindruck erwecken, dass er schon wieder an sich selbst scheitert. Dass die NPD vor einem Verbot sicher ist, nicht etwa weil es an Beweisen mangelte, sondern weil der Staat ihr durch sein Spitzelwesen den Bestand garantiert – das darf nicht sein.

Das Verfahren bleibt ein Risiko. Es muss ruhig und kühl vorbereitet werden. Wir haben die NPD lange ertragen, da kommt es auf Monate, selbst Jahre nicht an. Das Verfahren kann trotz aller Sorgfalt scheitern. Aber der blamierte Rechtsstaat hat sich selbst in eine Lage manövriert, in der ihm kein Spielraum bleibt. Eine Niederlage der Demokraten vor Gericht ist möglich. Sie wäre bitter. Gar nicht erst vor Gericht zu ziehen, bedeutet aber eine garantierte Niederlage. Und das wäre sehr viel mehr als bitter.

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