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Umfragetief: Regierung in der Rezession

Die Regierung steht schlecht da wie nie. Rot-Grün hat erstmals seit 2002 eine klare Umfragemehrheit. Warum Schwarz-Gelb nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert

Es könnte alles so schön sein für die Koalition. Die Arbeitslosenzahl im Juli liegt um 271 000 unter der des Vergleichsmonats 2009. Die Kurzarbeit geht zurück, die Wirtschaft ist optimistisch wie zuletzt vor 20 Jahren, der Export boomt, Autofabriken fahren Extraschichten und verhängen Urlaubssperren. Da müsste doch eine schwarz-gelbe Bundesregierung, bei der traditionellen Wirtschaftskompetenz der sie tragenden Parteien, ganz oben sein.

Ist sie aber nicht. Die Regierung steht schlecht da wie nie. Rot-Grün hat erstmals seit 2002 eine klare Umfragemehrheit. Und mittendrin im schwarz-gelben Abwärtsstrudel die vormalige Lichtgestalt der deutschen Politik: Angela Merkel. Im Vergleich zu ihren Akzeptanzwerten in der Zeit der großen Koalition ist der Absturz der Bundeskanzlerin besonders hervorstechend. Ganz offenkundig sieht der Wähler zwischen dem Aufwärtstrend der Wirtschaft und dem Wirken der seit dem vergangenen Spätherbst amtierenden Bundesregierung genauso wenig einen Zusammenhang wie in der Tatsache, dass die Regierungschefin ja noch immer dieselbe ist. Woran liegt das?

Zum einen an den Fakten. Tatsächlich hängt der Aufschwung mit späten Folgen der Lockerung des Arbeitsmarktes in der rot-grünen Ära zusammen, die größere Flexibilität brachte. Dann wirkte die Abwrackprämie als Aufputschmittel für die Autoindustrie. Die ausgedehnte Kurzarbeiterregelung verhinderte Massenentlassungen in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Das aber sind beides Leistungen der großen Koalition. Das schwarz-gelbe Konjunkturprogramm brachte Steuersenkungen für wenige, die Wachstumsimpulse wirkten nicht in die Breite.

Der Boom geht, und das liegt nun tatsächlich nicht an der jetzigen Bundesregierung, an weiten Kreisen der Bevölkerung vorbei. Die rot-grünen Umwälzungen in der Sozialpolitik gefallen der Wirtschaft und haben Deutschland weltweit konkurrenzfähiger gemacht. Aber sie verstärkten bei Millionen von Arbeitnehmern und ihren Familien das Gefühl, vom ökonomischen Wachstum ausgeschlossen zu sein. Nun hätte man den Leitspruch der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung „Wachstum, Bildung, Zusammenhalt“ ja als Selbstverpflichtung verstehen können, jenen wieder den Anschluss zu erleichtern, die sich abgehängt fühlen. Davon ist nichts zu spüren.

Mag sein, dass die Regierung nicht viel falsch gemacht hat. Im Urteil der Bürger hat sie eigentlich nur eines getan: sich gestritten, von der ersten Minute an. Und Angela Merkel, deren unaufgeregte Sachlichkeit ganz wesentlich zur reibungslosen Arbeit der großen Koalition beigetragen hatte, ist als Managerin von Schwarz-Gelb gescheitert. Das merken die Menschen. Deshalb trauen sie der Chefin und der Mannschaft nichts zu. Die Umfragewerte sind nicht, wie sie sind, weil Rot-Grün so gut ist, sondern weil Schwarz-Gelb so desolat daherkommt.

Dagegen kann man etwas tun. Endlich gemeinsam für die Bevölkerung arbeiten, zum Beispiel. Und Horst Seehofer und Kumpanen einen Benimmkurs verpassen.

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