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Reichsvermögen in Berlin: Schlicht und bodenlos

Das Urteil gegen Berlin ist klar im Ton, plausibel, moralisch aber ungerecht, findet Ulrich Zawatka-Gerlach.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Man will es eigentlich nicht glauben – aber fast zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall holt die Nachkriegsgeschichte Berlins die ehemals geteilte Stadt wieder ein. Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das klar im Ton, plausibel in der Rechtsfindung, aber moralisch ungerecht ist. Als einziges Bundesland wird Berlin das ehemalige Reichsvermögen vorenthalten, das seit 1945 dem Bund gehört.

Klugschnacker können nun sagen: Hätte der Berliner Senat nach dem 3. Oktober 1990 innerhalb eines Jahres die Rückübereignung beantragt, wäre das nicht passiert. Das Problem ist nur, dass damals nicht einmal die Bundesregierung sicher war, dass die Antragsfrist im Reichsvermögensgesetz von 1961 auch für (West-)Berlin galt. Immerhin enthielt das Gesetz eine Berlin-Klausel, die eine gesonderte Regelung für den Fall versprach, dass die geteilte Stadt wieder Hauptstadt eines vereinten Deutschlands sein sollte. Das war damals Utopie, sozusagen ein unbestimmter Rechtsbegriff. Erschwerend kam hinzu, dass wegen der alliierten Vorbehalte das Reichsvermögensgesetz in Berlin nicht in Kraft treten konnte.

Was also galt, als Berlin mit der Vereinigung Deutschlands nicht nur Hauptstadt, sondern auch in seine Rechte als Bundesland eingewiesen wurde? Als der Besatzungsstatus verschwand? Als der Einigungsvertrag in Kraft trat? Man muss naiv, dumm oder bösartig sein, um die verwickelten Rechtsprobleme zu ignorieren, die sich aus dieser singulären Situation entwickelt haben und bis heute nachwirken. Auch über die Ansprüche Berlins aus dem Reichsvermögen haben sich hunderte Juristen zerstritten. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht den gordischen Knoten einfach zerhauen. In großartiger Schlichtheit sagt das Urteil: Mit dem 3. Oktober 1990 wurde die Rechtseinheit Berlins mit dem Bund ohne jede Ausnahme hergestellt. Das gelte auch für ein juristisches Detail wie das Reichsvermögensgesetz. Für den Bund ist das gut, für Berlin bitter.

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