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Meinung: Reine Lehre füllt leere Kassen nicht

Beim Kompromiss um das Steuerpaket setzen sich Länderinteressen gegen Parteitaktik durch

Von Robert Birnbaum

Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Die Parteifreundschaft auch, und die Ideologie bei der Gelegenheit gleich mit. Besonders zügig gehen hehre Grundsätze und große Worte über Bord bei Geld, das fehlt. Man wird das in dieser Woche sehr schön beobachten können, wenn der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss im Streit um das berühmt-berüchtigte Steuervergünstigungsabbaugesetz sucht. Zwei Prognosen, wie der Streit ausgeht? Es wird einen Kompromiss geben. Und er wird der rot-grünen Koalition nicht schmecken, die Union wird ihn nicht so richtig goutieren, allenfalls die FDP wird sagen können, sie sei sich selbst treu geblieben. Was aber nur Beweis dafür sein wird, dass die Freidemokraten diesmal irrelevant sind, weil es im Bundesrat auch Mehrheiten ohne sie gibt.

Worum geht es? Die Regierung hatte ein sehr umfangreiches Paket geschnürt, in dem hauptsächlich Steuervergünstigungen standen, die SPD und Grüne für überflüssig und schädlich erklärten. Das Paket wog in etwa 15 Milliarden Euro, und das war denn auch der Sinn und Zweck der Operation. Hans Eichel braucht Geld. Die Länder übrigens auch. Die Unionsmehrheit im Bundesrat hat Eichels Paket trotzdem gestoppt, weil sie es als Steuererhöhungsorgie und deshalb als Konjunkturkiller sieht und weil sie in ihren Wahlprogrammen versprochen hat, höhere Steuern nicht zuzulassen.

Die Länder brauchen aber immer noch Geld. Damit kommen wir zum Ende der Ideologien. Der Hesse Koch (CDU) und der Nordrhein-Westfale Steinbrück (SPD) haben im Auftrag der Vermittler ein Kompromisspaket geschnürt, das 4,4 Milliarden Euro oder mehr wiegt. Die Details lassen wir weg, wichtig ist hier nur: Mit dem Hauptteil, der Korrektur der Körperschaftsteuer, können alle Beteiligten gut leben. Gezankt wird noch um einige Hinzufügungen wie eine Veränderung der Abschreibungsbedingungen, die doch wieder stark nach Steuererhöhung riechen. Darum hat es um Kochs Konzept in der Union einiges Rumoren gegeben. In diesem Punkt verstößt es in der Tat gegen die reine Parteilehre von CDU und CSU. Also ein Versuch des Hessen, seiner Parteichefin Angela Merkel ins Handwerk zu pfuschen?

Ein bisschen, vielleicht. Aber hauptsächlich ist es Realpolitik: Auch der SPD-Mann Steinbrück brauchte etwas zum Vorzeigen, beide Seiten brauchen Verhandlungsmasse, und – nie vergessen! – alle Länder brauchen Geld, besonders einige CDU-regierte wie das Saarland, wie Sachsen-Anhalt oder Sachsen. Mit der reinen Lehre lässt sich die Leere ihrer Kassen nicht füllen. Die reine Lehre wird also etwas zurückstecken müssen. Und das wäre gar nicht schlecht. Es wäre – nach dem Hartz-Kompromiss – der zweite Beleg dafür, dass die kleine Kooperation zwischen den großen Lagern trotzdem funktioniert.

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