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Ein Obdachloser sucht Schutz vor Kälte.

© Robert Schlesinger/dpa

Resignation von Problemen: Ein Plädoyer gegen die Lethargie im Leben

Eine Egal-Mentalität lähmt das Land. Ein Adrenalinschub fürs Empathische könnte helfen, sie wieder loszuwerden.

Lethargie und Schicksalsergebenheit erreichen eine neue Stufe – von den Schwächsten, die auf Hilfe nur hoffen können, bis zu jenen, die mit Unterstützung fest rechnen dürfen. Früher waren Obdachlose oftmals fest integriert in eine Nachbarschaft. Die Anwohner kannten sie, brachten ihnen Essen, Getränke und Kleidung und wussten, dass es Gründe gab für diese Menschen, feste Unterkünfte zu meiden. Meist stand das Alkoholverbot an erster Stelle. Aber auch eine scheinbar unvernünftige Sehnsucht nach Freiheit legte in manchen Fällen eine Hemmschwelle dorthin. Diese Obdachlosen waren für Anwohner wie alte Bekannte.

Vorbei. Die nächste Stufe ist erreicht. Und die riecht nach Verelendung. Viele Obdachlose sind noch halbwegs gepflegt, aber immer häufiger kommt es vor, dass Bettler eine Geruchsbelästigung mitbringen, wie sie entsteht, wenn jemand sich Wochen nicht gewaschen hat. Es ist ein aufrüttelndes Ausmaß an Verwahrlosung, das diese Menschen mit sich herumtragen. Und es führt dazu, dass sie – soweit möglich – auch von denen ignoriert werden, die sonst immer zu einer milden Gabe bereit sind.

Statt Mitleid provoziert der Verwahrloste Ablehnung – und wird so zum Mahnmal einer Gesellschaft, die sich in einem Egal-Gefühl verliert. Während sich das fortgeschrittene Stadium der Selbstaufgabe hier kaum ignorieren lässt, sind dessen Anfänge inmitten der Gesellschaft schwerer auszumachen, aber durchaus vorhanden.

Trost? Zuspruch? Fehlanzeige

Kürzlich in einer abgelegenen brandenburgischen Pension: Eine Frau versucht, über das einzige vorhandene Festnetztelefon jemanden zu finden, der sich dafür interessiert, dass ihr bei der Anreise der Rucksack mit Geldbörse, Telefon und allem, was wichtig ist, gestohlen wurde. Die Frau wählt sich die Finger wund, fragt, wird verwiesen, noch mal verwiesen. Wählt, wählt noch mal. Nichts an ihr wirkt abschreckend, außer der Tatsache, dass sie gerade ein lästiges Problem hat.

„Internet-Wache?“, fragte sie nach geraumer Zeit mit Zweifeln in der Stimme, als solle sie abgeschoben werden in die ungefähren Weiten des Netzes. Schließlich ruft sie in ihrer weit entfernten Heimatstadt an, um jemanden zu finden, der ihr die Anschrift einer Berliner Polizeiwache geben könnte. Trost? Zuspruch? Fehlanzeige.

Eine um sich greifende bleierne Egal-Mentalität lähmt. Ist es Resignation vor zu vielen Problemen? Ein Adrenalinschub fürs Empathische würde vielleicht helfen.

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