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Meinung: Rettet die Altersteilzeit!

Wer früher in Rente geht, schafft Platz für die Jungen Von Wolfgang Jüttner

Die geplante Abschaffung der geförderten Altersteilzeit ist angesichts der Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht nachvollziehbar. Zudem werden die Arbeitsbedingungen in den Betrieben von den Protagonisten völlig ignoriert.

Beschäftigte, die vor 1955 geboren sind, haben nur noch bis 31. Dezember 2006 die Chance, einen Altersteilzeitvertrag abzuschließen. Wenn der Gesetzgeber die geplante Rentenreform in der vorliegenden Form beschließen sollte, wird ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nur für den möglich sein, der sich erhebliche Rentenabschläge leisten kann. Insofern sind die hektischen Aktivitäten in den Betrieben verständlich. Viele Arbeitnehmer wissen, dass sie ihren Job im Dreischichtbetrieb, in der Fertigung, im Handwerk oder in der Verwaltung nicht bis zum 67. Lebensjahr durchhalten können. Die Arbeits- und Leistungsbedingungen lassen das einfach nicht zu. Deshalb stürmen sie geradezu die Personalabteilungen, um vor dem Stichtag einen Altersteilzeitvertrag mit ihrem Arbeitgeber abzuschließen. Die später Geborenen bestraft das Gesetz. Dabei ist Altersteilzeit für die Rentenversicherung völlig kostenneutral und die Arbeitsagentur gewährt nur dann einen Zuschuss, wenn die frei werdende Stelle mit einem Ausgebildeten oder Arbeitslosen wieder besetzt wird. Insofern profitieren Jung und Alt davon. Nach dem Altersteilzeitgesetz ist die geförderte Altersteilzeit bis Ende 2009 befristet. Ich meine, dass diese Maßnahme weiterlaufen muss. Deshalb werde ich die niedersächsische Landesregierung auffordern, im Bundesrat einen Gesetzentwurf für den Fortbestand der geförderten Altersteilzeit einzubringen.

Die Altersteilzeit sieht vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber Beiträge leisten. Bei Altersteilzeit müssen Arbeitnehmer Rentenabschläge akzeptieren, die teilweise durch den Arbeitgeber ausgeglichen werden. Die Bundesagentur gewährt nur bei Wiederbesetzung der Stelle.

Das Modell hat sich nach Aussage der Praktiker – Personalleiter wie Betriebsräte – in den Betrieben als Beschäftigungsbrücke zwischen Jung und Alt eindeutig bewährt. Wird die bestehende Regelung nicht verlängert, droht ein massiver Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit, da die Ausgebildeten nicht als „Wiederbesetzer“ übernommen werden. Allein in diesem Jahr fehlen bundesweit rund 28 000 Ausbildungsplätze. Die demografische Entwicklung ist kein Argument für die Abschaffung des Gesetzes. Bis 2015 wird die Zahl der Jugendlichen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, stabil bleiben. Erwartungen, dass sich die Probleme auf dem Arbeitsmarkt aufgrund einer rückläufigen Geburtenrate quasi von allein lösen, sind falsch. Nach Berechnungen der Kultusministerkonferenz werden allein in Niedersachsen 90 600 Schulabgänger im Jahr 2016 auf den Arbeitsmarkt drängen.

Die Arbeitsbedingungen in den Betrieben sprechen ebenfalls für die Aufrechterhaltung der Altersteilzeit. Derzeit erreichen nur rund 20 Prozent der Beschäftigten das Rentenalter. 80 Prozent gehen aufgrund des hohen Gesundheitsverschleißes vorzeitig in den Ruhestand. Würde das Gesetz nicht verlängert, droht vielen Arbeitnehmern die Altersarmut. Akademiker, die mit Anfang 30 in das Berufsleben einsteigen, können unter Umständen bis zum Renteneinstiegsalter ihrem Job nachgehen. Beschäftigte, die zum Beispiel ihr Arbeitsleben hindurch am Band gestanden haben, wird das nicht möglich sein. Deshalb plädiere ich auch für differenzierte Altersteilzeitlösungen, die Arbeitsbedingungen und die Lebensarbeitszeit berücksichtigen.

Der Autor ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag.

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