zum Hauptinhalt

Robert Enkes Tod: Und sagte kein Wort

Die Selbsttötung Robert Enkes lässt uns zittrig zurück. Der Fußballprofi war krank, er litt unter Depressionen, was er jahrelang verschwieg. Nun hat er eine Lösung gewählt, die endgültiger, intimer, aber öffentlicher nicht sein kann. Wie groß muss die Ausweglosigkeit für ihn gewesen sein?

„Man kann sich nicht mehr freuen, über gar nichts. Man kann nicht mehr lieben, auch sich selbst nicht. Manchmal hatte ich Angst, den Verstand zu verlieren.“ Das hat Sebastian Deisler erzählt. Der wie Enke seit 2003 an schweren Depressionen litt.

Diese Krankheit ist tückisch, weil man nicht mehr man selbst ist. Betroffene haben das Gefühl, Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, ohne auf Verständnis zu treffen. Auch weil sie nichts vorzuzeigen haben, wie ein gebrochenes Bein. Dabei ist diese Krankheit keine Einbildung. Über allem schwebt die Angst vor dem, was kommt. Das ist der Satz, den Depressive immer wieder sagen. Depressive durchleiden Verlust- und Versagensängste. Auch Enke wird Angst um sein Leben gehabt haben, aber am Ende ist sie deutlich kleiner gewesen als die, mit dieser Krankheit öffentlich zu leben. Er hat sie verheimlicht, aus Angst vor den öffentlichen Reaktionen. Wer will es ihm vorwerfen?

Diese Krankheit trifft im Innersten. Warum einer wie Enke? Warum einer, der als Fußballprofi ein Idol war, ein junger Mann dazu? Einer, der berühmt ist, populär, dem Ruhm und Anerkennung zuteil werden. Müsste dieser Mensch nicht glücklich sein? Doch depressive Leiden kennen keine Grenzen, können jeden treffen, Spitzensportler so wie Unternehmenslenker, Lehrer wie Arbeitslose.

Natürlich macht der Profifußball nicht kranker als das normale Leben. Doch ist es ungleich schwerer, mit dieser Krankheit unter dem Brennglas der Öffentlichkeit zu leben. Öffentliche Personen können sich nicht eben mal aus dem Beruf nehmen, um zu gesunden. Täglich werden sie nachgefragt, beobachtet, ihr Tun gewogen und bewertet. Enke entschied sich, die Krankheit nicht öffentlich zu machen, aus Angst vor dem Verlust seines Berufes, seiner Privatsphäre und seines nach dem Tod seiner Tochter adoptierten Kindes. Sein Fall zeigt, wie schwer es ist, mit dieser Diagnose in einer bisweilen abgehobenen und zirzensisch aufgeblasenen Welt wie der des Profifußballs zu leben.

Wie öffentlich darf, kann eine solche Krankheit heute sein? Von Personen in der Öffentlichkeit wird Stärke erwartet. Depressionen sind das Gegenteil davon. Sie stehen für Schwäche und Ängste und Verletzlichkeit. Viele haben schon Angst vor der Diagnose, die mit persönlichen Versagen in Verbindung gebracht wird.

Oft sehnen Depressive nur noch ein Ende der Qualen herbei. Sie durchleben eine innere Zerrissenheit, durchleben gegensätzliche Gefühlslagen wie Furcht und Zuversicht, wie Resignation und Triumph. Womöglich hoffte Enke am Ende darauf, Ruhe und Erlösung erlangen zu können. Der Suizid als Versuch, einen harmonischen Zustand aus eigenem Entschluss herbeiführen können. Der Suizid als letzte selbstbestimmte Handlung – ein letzter persönlicher Triumph.

Für gesunde Menschen ist das schwer nachvollziehbar, lässt uns erschaudern. Den meisten Selbsttötungen gehen depressive Erkrankungen voraus. Die Zahl der Selbsttötungsfälle ist hoch, die der vereitelten liegt weit höher. Manch einer baut die Chance, gerettet zu werden, absichtlich mit ein. Als lauter Hilfeschrei. Robert Enke hat nicht mal etwas gesagt. 

Zur Startseite