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Röslers Generation: Operation Bypass

Andere aus dieser Generation (aber auch aus anderen Generationen) machen viel Geld in der Wirtschaft oder kämpfen für Attac. Was also bedeutet es, mit achtunddreißig bei den Liberalen zu sein? Wofür kämpft Rösler?

Als Guido Westerwelle einen „Generationswechsel“ an der FDP-Spitze ankündigte, kam er gerade aus China. Dort hatte es gut hundert Jahre zuvor den krassesten politischen Generationswechsel überhaupt gegeben: Kaiser Pu Yi war bei seinem Amtsantritt gerade zwei Jahre alt. Die Beförderung ist ihm nicht gut bekommen, und mit der Quing-Dynastie war es auch bald vorbei. Philipp Rösler ist immerhin schon achtunddreißig – aber wie geht es weiter mit seiner Partei? Was bringt der „Generationswechsel“ den Liberalen, und: was bedeutet das überhaupt?

Mit der Ableitung vom Lebensalter auf Erfahrungen und Verhaltensweisen lassen sich ganze Bücher füllen, manchmal sogar erfolgreiche. Nur Politik lässt sich damit nicht machen, jedenfalls keine ernsthafte, nicht einmal in der FDP. Vom Alter her gehört Westerwelle, nur elf Jahre älter als Rösler, der „Generation X“ des kanadischen Schriftstellers Douglas Coupland an, Kennzeichen: Wohlstandsopfer, antriebslos. Rösler dagegen ist in den Jahrgängen der „Generation Golf“ von Florian Illies zu sehen, Kennzeichen: Nutella an der Backe, Kohl-Poster an der Wand. Oder auch der „Generation Praktikum“. Oder der „Generation Guttenberg“. Aber statt AC/DC hört Rösler lieber Udo Jürgens, und seine Doktorarbeit – „Einfluss der prophylaktischen Sotalolapplikation auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns im Rahmen der aortokoronaren Bypassoperation“ – scheint er selbst geschrieben zu haben.

Andere aus dieser Generation (aber auch aus anderen Generationen) machen viel Geld in der Wirtschaft oder kämpfen für Attac. Was also bedeutet es, mit achtunddreißig bei den Liberalen zu sein? Wofür kämpft Rösler? Und was unterscheidet ihn von Westerwelle? Der Verlauf ihrer Karrieren kann es kaum sein, da sind sie sich sehr ähnlich. Ihre Kindheit, ihre Jugend? Nicht dramatisch different, eher Ähnlichkeiten auch hier. Nach Trennung der Eltern beim Vater aufgewachsen, beide zuweilen in Außenseitersituationen. Prägende politische Erfahrungen? Immer wieder Schwarz-Gelb-Kohl, Mauerfall, Überdosis Schröder in Bund und Land, liberaler Aufstiegsrekord, liberaler Abstiegsrekord, und beide stets dabei.

Also lautet die Frage wohl eher nicht, welcher – anderen – Generation Rösler angehört, sondern, allenfalls, welcher anderen Gruppe. Was bewegt ihn, welche Haltung vertritt er, welche Position?

In einem Facebook-Eintrag hat Rösler vor zwei Jahren behauptet, die FDP sei „die einzige Partei, die auf die nach wie vor drängenden Fragen der Politik ein in sich schlüssiges Reformkonzept hat“. Und als Grundlage für solche Reformen „brauchen wir eine große Steuerreform, gleichsam als Mutter aller Reformen“. So weit, so Westerwelle. Aber Rösler schrieb auch, was der liberalen Programmatik fehlt: „Eine Vision. Ein gesellschaftliches Bild, das glaubwürdig ist, den Menschen wieder Mut macht und ihnen den Optimismus zurückgibt.“ Auf drei Begriffe müsse Liberalismus heute ausgerichtet sein: Wissen, Toleranz und Zusammenhalt. Mit Leben gefüllt waren diese Worte noch nicht. Und sie standen unter der Präambel der großen Mutter Steuerreform. Aber sie fielen vor den Dekadenz-Ausfällen Westerwelles, mit denen der Abstieg begann.

Jüngste Meldungen über Rösler: Der künftige FDP-Chef stellt Steuersenkungen nicht mehr über alles. Und: Auf seinem iPod läuft jetzt von Herbert Grönemeyer der Song „Erzähl mir von morgen“. Darin heißt es: Gib mir einen Grund zu hoffen, gib mir ein vages Ziel.

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