zum Hauptinhalt
Das Bild zeigt einen Mann in einfacher Kleidung mit einem roten Palästinenserschal um den Kopf. Er steht neben verbeulten und verrosteten Fässern und Kanistern im Nichts einer sandigen Ebene.

© AFP

Rohstoffknappheit: Deutschland muss strategischer vorgehen

Deutschland setzt im Umgang mit der weltweiten Rohstoffknappheit bislang vor allem auf mehr Effizienz. Geostrategische Debatten sind politisch verpönt – wir werden sie dennoch führen müssen.

Ein Trend ist unverkennbar: Von Medien und Konsumenten wird heute nicht mehr nur das Endprodukt kritisch begutachtet. Auch der Produktionsprozess entscheidet über den Kauf. Ethischer Konsum gewinnt an Bedeutung. Immer mehr Kunden wollen wissen, was unter der glänzenden Oberfläche ihrer Hightech-Produkte steckt: Sie fragen gezielt nach der Herkunft der Rohstoffe, den Förder- und Produktionsbedingungen, den Lieferketten und damit dem „wahren Preis“ eines Produkts.

Das zeigt: Das Management von Ressourcen und Reputation stellt Unternehmen heute vor große Herausforderungen. Die Moralisierung von Märkten scheint unaufhaltsam. Viele Produkte tragen heute Ökosiegel. Aus dem Marketing sind Begriffe wie Ökobilanz, Ressourceneffizienz oder Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken. In den Unternehmen ist die Einsicht gewachsen, dass es fahrlässig wäre, in der wachsenden moralischen Aufmerksamkeit ihrer Kunden nur eine vorübergehende Modeerscheinung zu sehen.

Deshalb hat in den meisten Unternehmen ein strategisches „Going Green“ längst das rein PR-getriebene „Greenwashing“ abgelöst. Effizienz ist für Unternehmen viel mehr als nur die Reaktion auf eine soziale Bewegung. Heute reagieren sie aus handfesten ökonomischen Gründen darauf, dass die natürlichen Ressourcen knapp werden. Ressourceneffizienz hat sich vom Umwelt- und „Fair-Trade“-Thema zum Treiber für Prozessinnovationen und Wertschöpfung entwickelt.

Die unternehmerische Handlungsmaxime, die sich aus der Ressourcenknappheit ergibt, hat Stephan Jansen, Gründungspräsident der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, auf den Punkt gebracht: „Entwickle Technologien, die die Nutzbarkeit von Ressourcen stärker steigern, als das Wachstum sie verbraucht.“

Denn ein Trend ist deutlich erkennbar: Die Zeiten von billigen und im Überfluss verfügbaren Rohstoffen sind vorbei. Und zwar dauerhaft.

Der Mittelstand sieht die Rohstoffknappheit entspannt - zu entspannt?

Die gute Nachricht ist, dass der effiziente Umgang mit knappen Ressourcen in Deutschland schon immer ein Leitsatz für erfolgreiches Wirtschaften war. Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Fortschritte im effizienten Einsatz wertvoller Rohstoffe erzielt. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Denn es ist unbestritten, dass die Ressourceneffizienz bei Investitions- und Kostenrechnungen eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Horst Wildemann, Professor für Unternehmensführung an der TU München, hat diesen Ansatz in der „Zeit“ klar formuliert: „Natürliche Ressourcen werden weltweit so teuer, dass Erfolg nur der haben wird, der ökologisch wirtschaftet – denn nur der wirtschaftet effizient.“

Worauf läuft das hinaus? Es geht darum, die wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.

In der Wirtschaftsgeschichte gibt es viele Beispiele dafür, dass Rohstoffe, nachdem sie knapp zu werden drohten, erfolgreich substituiert worden sind. Ein gern zitiertes Beispiel: 1854 gelang es erstmals, aus Erdöl das damals so bezeichnete Petroleum zu raffinieren. Dieses löste Waltran als Hauptbrennstoff für Öllampen ab und führte zu einem enormen Boom in der Erdölförderung. Solche Substitutionen haben nicht selten einen großen wirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Entwicklungsschub nach sich gezogen. Und doch ist diese Entwicklung natürlich wieder durch den gesteigerten Verbrauch anderer Ressourcen „erkauft“ worden.

Umso wichtiger ist, dass wir begrenzte Ressourcen und knappe Güter bereits in der Gegenwart als das zu begreifen lernen, was sie sind – die eigentlichen Entwicklungs- und Innovationstreiber unserer Gesellschaft.

Man könnte sagen, dass der deutsche Mittelstand mit seinen vielen „hidden champions – heimlichen Erstplatzierten“ diese Erkenntnis mehr als beherzigt hat. Schließlich ist der Faktor „Effizienz“ in den vergangenen Jahrzehnten zum eigentlichen Markenkern der Erfolgsstory von „Made in Germany“ geworden. Maschinen aus Deutschland sind weltweit aufgrund ihres hohen Effizienzgrades und ihres geringen Ressourcenverbrauchs gefragt. Und auch der Bereich Recyclingtechnologie ist eine Stärke Deutschlands und stellt ein wachsendes Segment im Außenhandel dar. Wir tun gut daran, weiter auf diese Themen zu bauen und uns für entsprechende Projekte zu begeistern. Und doch müssen wir bei aller Begeisterung, die die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und des „Going Green“ ausstrahlen, bei allen Gedankenspielen über das Machbare und Mögliche, ebenso das derzeitige Geschehen im Blick behalten. Und dieses wird maßgeblich von der Tatsache geprägt, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich wie kaum eine zweite vom Import von Rohstoffen abhängig ist. Hinzu kommt, dass die Zahl derjenigen Rohstoffe, die mit Blick auf den Umfang ihrer Verfügbarkeit als kritisch zu bewerten sind, drastisch zugenommen hat – hierzu werden irgendwann wohl auch die fossilen Energieträger gehören.

Wir müssen dabei zuerst der Tatsache ins Auge sehen, dass diese Rohstoffe noch viel knapper werden können, und sich an ihnen immer häufiger Auseinandersetzungen und Konflikte entzünden werden. In diesem Zusammenhang warnen politische Analysten bereits vor einem neuen „Rohstoffimperialismus“.

Wie China sich Rohstoffe sicher

Dies lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem China hat die Bedeutung der Rohstoffe für die Weltwirtschaft, aber auch für die eigene Versorgung klar erkannt und handelt danach. Über den Staatsfonds China Investment Corporation (CIC), in dem das Land seine gewaltigen Devisenreserven hortet, sichert sich China wichtige Rohstoffquellen in Asien, aber auch in Afrika. Staatliche Investoren engagieren sich aus strategischen Erwägungen auch bei großen Rohstoffkonzernen – so ist der chinesische Staat über sein Investmentvehikel „Full Bloom Investment“ mit knapp 18 Prozent am drittgrößten Rohstoffkonzern der Welt, der kanadischen „Teck Resources“, beteiligt. China baut zudem eine strategische Reserve Seltener Erden auf, angeblich mit dem Ziel, einer möglichen Knappheit vorzubeugen. Kritiker sehen hierin dagegen eine staatliche Intervention mit dem Ziel, den Weltmarkt für Seltene Erden weiter zu monopolisieren. Über 90 Prozent der Weltproduktion Seltener Erden liegt bereits in den Händen Chinas. Sollte die entsprechende Machbarkeitsstudie 2014 positiv ausgehen, wird ein chinesisches Konsortium darüber hinaus den Nicaragua-Kanal bauen, der in Konkurrenz zum Panamakanal die Handelswege der Welt verändern wird. Das gleiche Konsortium würde in diesem Fall als 49-prozentiger Eigentümer und einziger Partner des Staates Nicaragua eine strategisch wichtige Handelsroute im Hinterhof der USA mit kontrollieren.

Die deutsche Politik versucht diesem Szenario mit einer umsichtigen „Rohstoffdiplomatie“ zu begegnen, die aufseiten der Wirtschaft viel Unterstützung findet. In den vergangenen Jahren sind mehrere internationale Kooperationen und Rohstoffpartnerschaften vereinbart worden, mit Ländern wie Kasachstan, Chile oder der Mongolei. Aktuell laufen die Verhandlungen für eine weitere Rohstoffpartnerschaft mit Peru.

Ungeachtet dieser Entwicklungen scheinen viele deutsche Unternehmen, vor allem im Mittelstand, die Versorgungsrisiken mit Rohstoffen noch gelassen zu sehen – vielleicht zu gelassen?

Unverzichtbar erscheint mir, dass Unternehmen aus rohstoffintensiven Industrien ihre Einkaufsstrategien aufeinander abstimmen, sich aktiv für die Sicherung des Zugangs zu kritischen Rohstoffen engagieren und so strategische Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit wieder wettmachen. Noch bis in die 1990er Jahre hinein gab es in Deutschland mit der Preussag oder der Metallgesellschaft Unternehmen, die weltweit an der Exploration und Verarbeitung von Rohstoffen beteiligt waren. Der Zugang zu Rohstoffquellen, der über diese Unternehmen gleichsam gewährleistet war, ging mit deren Verkauf oder Umstrukturierung allerdings verloren. Heute gibt es seitens der Wirtschaft Bestrebungen, die dadurch gerissenen Lücken wieder zu schließen, sei es durch die Gründung der „Rohstoffallianz“ im vergangenen Jahr durch mehrere große deutsche Unternehmen, darunter Bayer, BASF, Bosch, BMW und andere, sei es durch den Aufbau neuer Abteilungen für Rohstoffwirtschaft, zum Beispiel bei Daimler und VW, oder sei es durch die Gründung der in Heidelberg ansässigen Deutsche Rohstoff AG.

Dennoch stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen am Ende in Summe ausreichen werden angesichts der Tatsache, dass die Weltmärkte für Rohstoffe eng mit staatlichen Strukturen verbunden sind und die Wettbewerbsverzerrungen hierdurch immer größer werden. Bezeichnend hierfür ist die latente Sorge vieler deutscher Unternehmer, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten. Denn im Kern geht es um die viel weitreichendere Frage, ob die Interessen und Entwicklungsstrategien unterschiedlicher ökonomischer Modelle langfristig miteinander in Einklang gebracht werden können. Anders formuliert: um die Frage, ob Marktwirtschaften westlicher Prägung, die auf den freien Handel, Kooperationen und das Wettbewerbsprinzip setzen, gegenüber „staatskapitalistischen“ Ländern, die ihre Interessen nach außen auch mit ganz anderen Mitteln vertreten, nicht unweigerlich ins Hintertreffen geraten müssen.

Sich auf Biegen und Brechen auf ein Wettrennen um die letzten weißen Flecken auf der Rohstoffweltkarte einzulassen, wäre freilich fatal. Die richtige Antwort auf diese Herausforderung kann nur darin bestehen, dass sich Wirtschaft und Politik noch stärker als bisher für die Beseitigung von Handelsschranken und Wettbewerbsverzerrungen einsetzen. Und darin, dass vor allem die europäischen Länder ihre Positionen in Sachen Rohstoffe und Energie besser koordinieren.

Horst Köhler benannte das Problem - und musste zurücktreten

Auch in dieser europäischen Diskussion muss Deutschland im Sinne der Standortsicherung und des Erhalts der eigenen Wettbewerbsfähigkeit aktiv Position beziehen. Und dazu muss gerade hierzulande das Verständnis für die eigene Rolle im internationalen Gefüge weiter geschult und geschärft werden. Ich bin überzeugt davon, dass eine offene und unvoreingenommene Diskussion über geopolitische Themen hierfür eine wichtige Grundlage bildet. Doch eine solche ist in Deutschland alles andere als leicht zu führen!

Wer trotz der weltweit zunehmenden Diskrepanzen weiter auf funktionierende Märkte und fairen Wettbewerb pocht, wird schnell belächelt. Wer mit Blick auf die Gegebenheiten einen anderen Ton anschlägt und laut über den Schutz deutscher Interessen im Ausland nachdenkt, sieht sich ebenso schnell mit scharfer Kritik konfrontiert.

Erinnern wir uns: In einem Interview im Mai 2010 hat der damalige Bundespräsident Horst Köhler Überlegungen zu der Notwendigkeit der militärischen Absicherung von Handelswegen angestellt, gedacht als Impuls für eine sachliche Diskussion über Rohstoffe, ihre Lieferketten und deren Bedeutung für die deutsche und europäische Wirtschaft. Aber dazu kam es nicht. Vielmehr geriet der Bundespräsident für seine Äußerungen innerhalb von Tagen massiv in die Kritik und ins politische Abseits – mit den bekannten Folgen.

Diese symptomatisch deutsche Reaktion ist sicherlich und mit guten Argumenten historisch begründbar. Und doch darf dies nicht dazu führen, dass vitale Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland negiert oder fallen gelassen werden. Wir müssen unliebsame Realitäten in den Blick nehmen: Realitäten, die offensichtlich nicht zu unserem politischen Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung passen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass rohstoffrelevante Entscheidungen, die rund um den Globus getroffen werden, für unsere Wirtschaft und damit für unser ganzes Land unweigerlich Konsequenzen haben werden. Stichwort „Fracking“: Ob wir den US-amerikanischen Weg des massiven Einsatzes dieser Technologie gutheißen oder nicht – fest steht schon jetzt, dass das Streben der USA nach Energieautarkie die globalen Ressourcenströme deutlich verändern wird.

Und ob wir die Tatsache, dass chinesische Staatskonzerne oder große US-amerikanische Agrarfonds in vielen Ländern rund um den Globus im großen Stil Ländereien aufkaufen, als Chance für die Entwicklung dieser Länder werten oder als „Landgrabbing“ verurteilen– fest steht, dass diese und viele weitere Entwicklungen Konsequenzen nach sich ziehen werden, mit denen sich unser Land früher oder später auseinandersetzen muss.

Stefan Quandt, Mitglied der Unternehmerfamilie Quandt, ist u.a. stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der BMW AG. Der Text ist ein Auszug seiner Rede bei der diesjährigen Verleihung des Herbert-Quandt-Medien-Preises.

Stefan Quandt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false