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Roland Jahn und die Stasi-Mitarbeiter: Mit Moral im Mund

Geht jetzt die ganze quälende Debatte von vorne los? Roland Jahn polarisiert schon auf seinen ersten Metern mit einem Urthema der deutschen Vereinigung: dem Erbe der vor 20 Jahren abgewickelten und mit deutscher Gründlichkeit aufgearbeiteten DDR-Staatssicherheit.

Als Versöhner zwischen früheren Tätern und Opfern sowie der Mehrheit der Mitläufer tritt der langjährige ARD-Journalist öffentlich auf und kommt damit sogar in der „Super-Illu“, dem Zentralorgan der ostdeutschen Nostalgieindustrie, gut an. Doch im politischen Hauptstadtbetrieb regen sich die ersten heftigen Abwehrreflexe gegen den Nichtpolitiker.

Jahn betreibt die Behörde anders: aus Opfersicht. Deshalb versucht er, 47 ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die Behördengründer Joachim Gauck eingestellt und Nachfolgerin Marianne Birthler geduldet hatte, endlich herauszukomplimentieren. Als Menschenjagd auf ein paar brave Pförtner empfinden das wichtige Politiker (vor allem aus der SPD, die ohnehin einen anderen Kandidaten favorisiert hatte). Dieser harte Vorwurf löst bekannte Reaktionen aus; schließlich ist vielen älteren Ostdeutschen das Gefühl nicht fremd, noch immer auf ihre Vergangenheit reduziert zu werden. Jahn dagegen lässt sich von den Gefühlen einer Minderheit leiten: der Beschämung der Stasi-Opfer, die sich vor Einsicht in ihre Akten bei den ehemaligen Tätern anmelden müssen. Insbesondere mit seiner emotionalen Rede zur Amtseinführung, in der er die Stasi-Mitarbeiter als „Schlag ins Gesicht der Opfer“ klassifizierte, hat Jahn die Gegnerschaft gegen sich selbst heraufbeschworen.

Moralisch ist Jahn sicher im Recht. Aber sollte man eine Behörde, die aufklären soll und jetzt auch versöhnen will, mit Moral im Mund führen? Das ist die Grundfrage, der sich Jahn selbstkritisch, aber unabhängig von politischen Zwängen stellen muss. Am Ende wird sie die Politik beantworten, die die Behörde trägt.

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