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Meinung: Rot-Grün und die PDS: Die PDS wird stärker, nicht demokratischer

Nach diesem Wochenende ist man klüger in Berlin. SPD und Grüne haben getagt, Gregor Gysi hat gesprochen.

Nach diesem Wochenende ist man klüger in Berlin. SPD und Grüne haben getagt, Gregor Gysi hat gesprochen. Nun ist klar: Die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung macht die PDS nicht demokratischer, nur stärker. Und dreister. Fangen wir mit Gysi an:

Was ist ein Demokrat? Jemand, der etwas sagt, das im Grundgesetz steht? Das dürfte nicht reichen. Jemand, der in ein Parlament gewählt wurde? Wohl kaum, sonst wären alle Abgeordneten der Reps Demokraten. Jemand, der den Rechtsstaat verteidigt und scharfe Schnitte zwischen demokratisch und undemokratisch zieht, auch wenn es Mut erfordert? Ja, das kann man von einem Demokraten verlangen, jedenfalls, wenn er Politiker ist, erst Recht wenn er regieren will. So streng gesehen ist Gysi kein Demokrat, zumindest kein mutiger.

Gysi sagte am Sonnabend, er wolle die Kommunistische Plattform nicht rauswerfen, denn die PDS könne nicht die gleichen Methoden anwenden wie die SED. Ob eine Partei, die demokratisch sein will, Extremisten ausschließt oder ob eine totalitäre SED Menschen aus der Partei und dem Land wirft, die sich der Demokratie verdächtig gemacht haben, ist aber nicht das Gleiche, sondern: das Gegenteil. Gysi verwischt die Unterschiede zwischen Rechts- und Unrechtsstaat. Warum er das macht, liegt auf der Hand. Er ist eben keine demokratische Verpackung einer undemokratischen Partei, nicht der Chef-Clown einer humorlosen Rentnertruppe oder ihr "Schafspelz" (Gerhard Schröder). Gysi ist der perfekte Agent für das zentrale Lebensinteresse der ganzen Partei. Die PDS existiert nur aus einem einzigen Grund. Nicht weil sie sozialistisch wäre: Es gibt keinen demokratischen Sozialismus, der in der SPD oder der CDA keinen Platz hätte. Nein, das unausgesprochene Kampfziel der Partei heißt: Die PDS will die volle Anerkennung im demokratischen Deutschland, ohne die moralische Anerkennung der DDR aufgeben zu müssen. Dieses Ziel kann nur jemand erreichen, der die Unterschiede zwischen beiden Staaten dialektisch vernebelt.

Auch in seinem gestrigen Tagesspiegel-Interview bewährte sich Gysi als Umwerter demokratischer Werte. Er, Gysi, habe sich für rein gar nichts zu entschuldigen, wohl aber Christdemokraten für den Bankenfilz in Berlin. So als ob das systematische Unrecht der SED mit dem zu vergleichen wäre, was Landowsky und Konsorten in den Aufsichtsräten angestellt haben. Er wolle sich auch deshalb nicht entschuldigen, weil er persönlich für die Mauer ja nicht verantwortlich sei. Der Papst kann sich für die Inquisition entschuldigen, Kanzler und Bundespräsidenten für die Verbrechen der Nazis, nur die PDS nicht für die Verbrechen ihrer Rechtsvorgängerin SED?

Das Problem mit Gysi ist nicht so sehr seine Vergangenheit oder die der PDS, sondern dass er hier und heute nur erfolgreich sein kann, wenn er Demokratie und Rechtsstaat begrifflich verunklart. Wie auch mit seiner Begründung, warum er Senator, aber kein Fraktionschef werden wolle. Sie dokumentiert sein halbiertes Demokratieverständnis. Er sei als Fraktionschef nämlich Parteifunktionär, und das wolle er nicht. Wer sich als Fraktionschef wie ein Parteifunktionär benehmen will, sollte in der Tat zu demokratischen Wahlen nicht antreten.

Wie aber haben die neuen Freunde der PDS, wie haben SPD und Grüne auf Gysis Offensive reagiert? Feige: Die Grünen grenzen alle interne Grundsatzkritik an der PDS aus. Und die Äußerung der grünen Spitzenkandidatin, Sybill Klotz, ist in ihrer Verzweiflung schon fast rührend: Wer Rot-Rot verhindern wolle, müsse Grün wählen. Was im Klartext ja nur heißt: Wer Rot-Rot ergänzen will, wer die rot-rote Soße mit einem grünen Salbeiblättchen verzieren möchte, der gebe uns doch bitte seine Stimme. Das ist keine Wahl-, eher eine Mitleidskampagne. So also sieht der Druck aus, den die Grünen auf die PDS ausüben.

Und die SPD? Der Kanzler verfügte auf dem SPD-Parteitag, man müsse gegenüber der PDS "eigene Bedenken zurückstellen". Um jeden Millimeter, den die SPD zurückweicht, geht Gysi derweil zwei vor. Gestern kehrte er die schwächlich vorgetragene Aufforderung an die PDS, sich für die Mauertoten zu entschuldigen, einfach um und forderte die SPD zur Demut auf. Und in Sachen Demut ist Gysi wirklich Spezialist.

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