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Es ist eine Kunst, im rechten Moment auf die richtige Weise zu gehen.

© dpa

Rücktritte: Die Kunst des Abgangs

Ein Jahr ist es her, dass Christian Wulff zurückgetreten ist. Kurz vor diesem Jahrestag hat es wieder geknallt: Papst Benedikt und Annette Schavan, beide haben Einsicht bewiesen und gezeigt, wie man es machen kann, wenn es nicht mehr geht.

Nein, man kann sie nicht vergleichen. Der Papst, Annette Schavan, vor fast zwei Jahren Karl-Theodor zu Guttenberg, vor einem Jahr Christian Wulff – kein Rücktritt gleicht dem anderen. Jeder folgt seiner eigenen Inszenierung, hat seine eigenen Gründe, seine eigene Tragik. Und doch: Unvermeidbar waren sie wohl alle. Auch dürfte für alle gelten, dass sie am Ende eine Erlösung waren. Für die, die zurücktraten, wie für die, die das erwartet, manchmal gefordert haben. Auf „Es geht nicht mehr“ folgt „Es muss dann auch mal gut sein“. Nach einem Rücktritt kehrt im besten Fall wohltuende Stille ein.

Tage-, manchmal wochenlang hat es sich zugezogen, hat sich die Spannung bis ins Unerträgliche aufgebaut, die Atmosphäre sich aufgeladen, im Hintergrund donnert es bereits drohend – und dann kommt der große Knall. Wie nach einem Gewitter entspannt sich die Lage.

Warum kommt aber der eine besser mit seinem Rücktritt zurecht als der andere? Weil es eine Kunst ist, im rechten Moment auf die richtige Weise zu gehen. Wer den Zeitpunkt verpasst, sich sträubt und weigert, das Unvermeidliche zu akzeptieren, wird länger darunter leiden als der, der spürt, wenn es einfach nicht mehr geht. Der zum Gehen Gedrängte schmälert seine Chance, irgendwann zurückzukommen. Denn der Rücktritt ist nicht glaubwürdig, wenn er erzwungen wirkt und nicht innerer Einsicht folgt. Ein Opfer verlangt Respekt, auch wenn es letztlich ein Aufgeben ist. Ein Fast-Herausschmiss, bei dem dem Abtretenden nur noch zugestanden wird, seine Demission selbst zu verkünden, tut das nicht.

So oder so: Nach dem Rücktritt muss es auch mal gut sein. Das Gewitter hat die Atmosphäre gereinigt, es gibt die Chance, durchzuatmen. Für alle Beteiligten. Darum ist es richtig, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt. Wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg oder Alt-Bundespräsident Christian Wulff jetzt leben, wie es ihnen geht, muss die Öffentlichkeit nicht mehr interessieren – abgesehen von ungeklärten rechtlichen Fragen. Sie haben sich mit ihrem Rückzug Stille verdient. Dass der mediale Hype aufhört, ist normal. Und bedeutet auch nicht, dass er vorher unbegründet und ungerecht war.

Noch hat die Justiz nicht entschieden, ob der Korruptionsverdacht gegen Wulff begründet war. Die Ermittlungen laufen noch. Die politische Frage, ob bei der Berichterstattung über geschenkte Bobbycars und geliehene Kleider seiner Frau das richtige Maß gewahrt wurde, wird indes schon länger diskutiert. Zu Recht. An der Unausweichlichkeit seines Rücktritts ändert das nichts. Ein Staatsoberhaupt, gegen das die Justiz ermittelt, ist untragbar. Wer das bestreitet, hat von der Würde des Amtes nichts begriffen.

Kurz vor dem Jahrestag des Wulff- Rücktritts hat es wieder geknallt, gleich zweimal. Bildungsministerin Schavan zog die Konsequenz aus dem Verlust ihres Doktortitels, der Papst die aus seinem Schwächerwerden. Beide Abtritte sind mit Respekt aufgenommen worden, zum Teil mit großem. Beide Abtretende haben Einsicht bewiesen, haben gezeigt, wie man es machen kann, wenn es nicht mehr geht. Sie haben, auch das ist wichtig, ihr Aufgeben gut begründet. Und deutlich gemacht, dass es zu Recht Ansprüche an ihre Ämter gibt, die sie aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr erfüllen konnten. Sie haben Haltung bewiesen. Und damit ist es auch gut.

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