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Meinung: Rüstungsindustrie: Wie gut sind wir gerüstet?

Die Entwicklung ist zu schnell, entzieht sicher geglaubten Überzeugungen die Grundlage. Die Debatten hinken hoffnungslos hinterher.

Die Entwicklung ist zu schnell, entzieht sicher geglaubten Überzeugungen die Grundlage. Die Debatten hinken hoffnungslos hinterher. Jüngstes, besonders krasses Beispiel: die Rüstungspolitik. Rüstung galt als ein unausweichliches, doch unmoralisches Übel. Erst recht der Export von Kriegswaffen, weil der Konflikte anheize. Doch nun sorgt sich die rot-grüne Regierung in einem internen Papier um das Überleben der deutschen Rüstungsindustrie. Sie sieht nationale Sicherheitsinteressen gefährdet und empfiehlt verstärkte Exporte, um die teure Entwicklung moderner High-Tech-Waffen zu finanzieren.

Starker Tobak für eine Gesellschaft, die nach dem Ende des Kalten Krieges auf eine langjährige Friedensdividende hoffte, zumal keine neue existenzielle Bedrohung auszumachen war. Das Pfui-bäh-Thema Rüstung und Waffenexporte hielten die Regierungen mit einer Dreifach-Taktik unter Kontrolle: Die Praxis behandelten sie hinter verschlossenen Türen, die Öffentlichkeit durfte sich über Randaspekte wie Panzerwagen für die Türkei moralisch erregen, Großprojekte wie Jäger 90, Eurofighter und jetzt der Militär-Airbus wurden mit der guten europäischen Absicht verbrämt. Die ehrliche, umfassende Debatte jedoch blieb aus: Brauchen wir eine eigene Rüstungsindustrie, muss Europa sich von Amerika unabhängig machen, und geht das ohne Refinanzierung durch Exporte?

Unbeachtet von der Öffentlichkeit ist die deutsche Rüstungsindustrie seit 1989 um zwei Drittel geschrumpft. Europäische Gemeinschaftskonzerne wurden gebildet, wie die EADS, die den Airbus baut und europäische Raumfahrt betreibt. Mit der Schrumpfung ging auch Know-how verloren. Es ist kein Drama, wenn hier weniger Panzer gebaut werden, obwohl die Deutschen da weiter technisch Spitze sind. Künftig sind andere Fähigkeiten entscheidend: Satellitenaufklärung, Navigation, elektronische Kampfführung, optische Präzisionswaffen. Muss Europa nicht Anschluss halten: um mit den US-Truppen kompatibel zu bleiben; damit Amerika Europa als Partner respektiert, der Einfluss nehmen will; und um die volle Information über das Geschehen zu bekommen?

Kooperieren und konkurrieren: Denn es ist eine Illusion, dass Nato-Verbündete ihr Wissen ehrlich teilen. Und ebenso, dass man sich jedes High-Tech-System im Ausland kaufen kann. Die Vorgespräche für Gemeinschaftsprojekte wie SDI ("Krieg der Sterne") lehren, dass Amerika nicht zum vollen Technologie-Transfer bereit ist. Sollte Europa da nicht hochsensible Fähigkeiten selbst entwickeln - und Deutschland eine seinem Gewicht zukommende Rolle spielen? Sonst wird aus der Abhängigkeit von den USA eine vom Wohlwollen der Franzosen, Briten oder Spanier. Der nationale Anteil an Entwicklung, Know-How, auch an Jobs in europäischen Projekten hängt von der finanziellen Beteiligung ab. Berlin aber spart gerade an den Ausgaben für Forschung und Beschaffung.

Nur: Erzeugt dieser Wunsch nach Eigenständigkeit und Konkurrenz nicht einen neuen Rüstungswettlauf? Eben wegen dieses Zielkonflikts ist eine breite Debatte überfällig. Interessanter- wie fatalerweise ist der Konflikt durch den Abschied vom ideologisch-moralischen Blick auf die Rüstung nicht zu lösen.

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