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Meinung: Russischgrau

Putin hat viele Freunde. Was für ein Freund ist er?

Es ist immer gut, einen Freund zu haben, auf den man sich verlassen kann. Bundeskanzler Schröder trifft an diesem Mittwoch seinen alten Freund Wladimir Putin im russischen Jekaterinburg. Bisherige Stationen dieser Männerfreundschaft: Eine Schlittenfahrt zum orthodoxen Weihnachtsfest, eine Dampferfahrt auf der Elbe, eine gemütliche Plauderstunde bei Biolek. Politisch schien sich diese Freundschaft spätestens im Februar dieses Jahres auszuzahlen: Putin stellte sich demonstrativ an die Seite Schröders und erklärte, er stimme mit Deutschland und Frankreich in Sachen Irak überein.

Doch mit beiden Beinen stand Putin nie im Lager der Kriegsgegner. Schröder und Frankreichs Staatschef Chirac bekamen die Folgen ihrer Entscheidung zu spüren – Putin nicht. Als Einziger aus dem Dreierbund hat er es sich nicht mit den USA verdorben. Denn Putin legt sich auch dann nicht fest, wenn er sich festzulegen scheint. Bei seinem jüngsten Besuch in den USA signalisierte er Kompromissbereitschaft. Am Ende machte Putin weder beim Thema Irak noch beim iranischen Atomprogramm die von Bush erhofften Kompromisse. Ein Freund, auf den man sich verlassen kann?

Jetzt verlangen die Kriegsgegner eine deutlichere Rolle der UN im Irak. Fraglich ist aber, ob Russland darauf letztlich bestehen wird. Putin hat längst angedeutet, dass er mit einer internationalen Iraktruppe auch unter US-Führung durchaus leben könnte. Moskau will zudem selbst weiterhin mitmischen, in der Region und auf der Bühne der Weltpolitik. Da ist es wenig wahrscheinlich, dass Putin sich in Jekaterinburg von Schröder auf einen klaren Kurs festlegen lässt. Dabei ist der Irakkonflikt noch eines der Themen, bei denen Schröder und Putin am ehesten Einigkeit demonstrieren könnten. Denn Russlands Präsident hat sich in den vergangenen Wochen als schwieriger Partner einen Namen gemacht: So macht er keinerlei Anstalten, in absehbarer Zeit das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, wie es Deutschland und viele andere Länder fordern. Das unliebsame Thema wischte er auf der Moskauer Klimakonferenz mit einem schlechten Scherz vom Tisch: Die globale Erwärmung sei nicht so schlimm – dann müssten die Russen nicht mehr so viel Geld für Pelzmäntel ausgeben.

Vor kurzem überraschte Putin die Nato damit, dass er ihr drohte. Nur ein wenig, aber genug, um sich machtpolitisch in Erinnerung zu rufen. Sollte die Nato so bleiben, wie sie ist, müsste Russland seine Militärstrategie ändern – auch das Nuklearprogramm. Was für ein Freund ist das, der mal mitspielt und mal droht?

Besonders fragwürdig ist Putins innenpolitische Bilanz. Russland ist auf dem besten Weg, ein autokratischer Staat zu werden. Statt den Aufbau einer Zivilgesellschaft zu fördern, setzt der Kreml auf von oben verordnete Reformen. Die Pressefreiheit wird immer weiter eingeschränkt. Oppositionelle oder Oligarchen – keiner von ihnen erhebt seine Stimme gegen Putin. Das ist vielleicht das Beunruhigendste am heutigen Russland. Die Macht des Präsidenten steht völlig außer Frage. Und so ist es auch er allein, der den entsetzlichen Krieg in Tschetschenien stoppen könnte. Doch stattdessen leugnet Putin, dass es dort überhaupt noch Krieg gibt. Ohne internationalen Druck auf beide Seiten ist der Konflikt im Kaukasus nicht zu beenden.

Die schweren Mängel im Demokratisierungsprozess dürfen im Westen nicht mehr einfach hingenommen werden. Bisher konnten diese Themen das Verhältnis zwischen Schröder und Putin nicht trüben. Doch ein Freund, der dem anderen nicht auch einmal die Meinung sagt, ist keiner. Und umgekehrt kann man sich nicht auf einen Freund verlassen, der die Spielregeln immer allein bestimmen will.

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